Sie sehen sicher auch gerne Discovery Channel - den Kanal, in dem die Schauspieler immer Felle tragen. Neulich habe ich mich gefragt: Wann wird endlich mal eine Dokumentation über neue Tierarten gedreht, statt über aussterbende? Ich hätte da einen Vorschlag: Die Kriechtiere im dichten Unterholz der Gesundheitspolitik.
Nein, ich meine nicht die Berliner Lobbyisten. Ich rede von der Buchstabenschlange. Mal als üppige Boa ("Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz"), mal als relativ kurze Ringelnatter ("Beitragsbemessungsgrenze") windet sie sich immer häufiger durch den Arztalltag.
Am 14.12. dieses Jahres hat wieder so ein kleines Reptil das Licht der Welt erblickt. Es setzt mit 48 Buchstaben einen neuen Längenrekord, trägt gnädigerweise einen Bindestrich in der Mitte und nennt sich Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz oder kurz AVWG.
Die Pharmaindustrie hat sicher nicht gehofft, dass Ulla Schmidt ihr leckere Aachener Printen unter den Christbaum legt. Aber diese schwarz-rote Mamba dürfte selbst die Pessimisten unter den Pillenproduzenten überrascht haben. Mit drei Giftzähnen soll das AVWG die Arzneimittelausgaben um 1,3 Mrd. Euro jährlich reduzieren:
* Einfrieren des Herstellerabgabepreises
* Absenken der Festbeträge
* Festlegung von Tagestherapiekosten in verordnungsstarken Indikationen
Vor allem der letzte Zahn hat es in sich. Denn Ulla Schmidt hat sich diesmal etwas ganz besonderes raffiniertes ausgedacht: Damit die Ärzte mitspielen, gibt es die Bonus-Malus-Regelung. Einfach gesagt: Verordnet der Arzt besonders wirtschaftlich, bekommt er im Quartal ein bischen mehr Geld, verordnet er zu teuer, wird er selbst zur Kasse gebeten.
Die lästige Erklärung, warum der geschätzte GKV-Patient nicht mehr die neusten Pillen auf seinem Rezept findet, wird also (wieder einmal) in die Praxen verlegt. Der Arzt als Vollzugsbeamter der Verknappung. Die rheinische Wellness-Duse hingegen kann stolz verlautbaren, dass "die Menschen" trotz Ebbe in der Kasse selbstverständlich bestens versorgt würden. Oder frei nach Karl Lauterbach: "Aber selbstverständlich kann Ihr Arzt Ihnen das Verordnen". Die Lüge der Qualitätsversorgung kann also weiter gelogen werden. So einfach ist das.