Ein Was-Wäre-Wenn-Modell der Bertelsmann-Stiftung macht Stimmung im Gesundheitswesen. Eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht für Beamte würde laut der Studie Bund und Länder um 60 Milliarden Euro entlasten. Der Vorschlag stößt auf heftige Kritik.
Was wäre wenn … alle Beamten gesetzlich krankenversichert wären? Diese Frage warf die Bertelsmann-Stiftung kürzlich auf und lieferte auch gleich eine provokante Antwort: Käme in Deutschland tatsächlich die GKV-Pflicht für Beamte, könnten Bund und Länder bis zum Jahr 2030 mehr als 60 Milliarden Euro sparen.
Aktuell sind über drei Millionen Beamte und Pensionäre in Deutschland privat krankenversichert. Davon wären, wenn es nach der Stiftung geht, zwei Drittel in der gesetzlichen Krankenkasse versicherungspflichtig und weitere 21 Prozent würden aus finanziellen Gründen freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. In diesem theoretischen Modell wäre dann nur noch einer von zehn Beamten privatversichert – tatsächlich sind es im Moment allerdings 85 Prozent der Beamten und Pensionäre. Zunächst zahlt der Beamte die Arzt- oder Krankenhauskosten selbst. Nach Vorlage der Rechnung erstattet ihm der Staat 50 bis 70 Prozent – je nach Familiensituation sowie Bundes- und Landesrecht. Der restliche Betrag wird von der Krankenversicherung beglichen. Laut Bertelsmann-Stiftung ist das Beihilfesystem, wie es jetzt funktioniert, problematisch, da es den Staat jährlich mehrere Milliarden kostet. Die mit einer gesetzlichen Krankenversicherung einhergehende Ersparnis würde alle Steuerzahler entlasten. Die Beiträge der Versicherten würden um 0,34 Prozentpunkte sinken, so die Rehnungen der Stiftung – eine Entwicklung, die „gerechter und nachhaltiger“ wäre, argumentiert Stiftungs-Vorstand Brigitte Mohn.
Seitens der Bundesärztekammer steht man dem Modell skeptisch gegenüber. Das Versprechen, zukünftig riesige Beträge einsparen zu können, sei nur bedingt realistisch und außerdem mit negativen Folgen verbunden, auf die in der Studie nicht eingegangen würde, wie Präsident Frank Ulrich Montgomery sagt. Sehe man genauer hin, stelle sich heraus, „dass sich die Autoren hier ein Szenario zurecht gezimmert haben, das jeglichem rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Realitätssinn entbehrt,“ sagt er. „Unklar ist auch, wie zwei Dritteln der rund drei Millionen Beamten Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung auferlegt werden können, ohne dies bei der Besoldung und Versorgung finanziell zu kompensieren.“ Montgomery sieht den Reformentwurf als verdeckte Bürgerversicherung, die eine Zweiklassenmedizin fördert. Des Weiteren betont er, dass in der Studie positive Aspekte gänzlich ausgeblendet würden: „Privatversicherte ermöglichen mit ihrem die tatsächlichen Kosten deckenden Finanzierungsbeitrag eine hochwertige medizinische Ausstattung von Krankenhäusern und Praxen, die allen Patienten unabhängig von ihrem Versicherungsstatus zur Verfügung steht.“
Das erstellte Modell ist ein klarer Aufruf zu Gesetzesinitiativen, der auch beim Beamtenbund (dbb) auf Kritik stößt: „Die vorliegende Studie kann die Abschaffung der Beihilfe nicht seriös rechtfertigen,“ sagt der Vorsitzende Klaus Dauderstädt. Auch PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach kann der Vorstellung nichts Positives abgewinnen: „Die Bertelsmann-Stiftung erhebt die Forderung nach einem Radikalumbau der Gesundheitsversorgung [...] hat dabei jedoch nach eigenen Angaben die (verfassungs-)rechtliche Zulässigkeit und Umsetzbarkeit gar nicht erst geprüft. Eine solche ‚Studie‘ ist auf Sand gebaut und kann schon im Ansatz nicht ernst genommen werden.“ Stiftungs-Vorstand Mohn kontert mit Zahlen: Auf lange Sicht könnten 13 von 16 Bundesländern Milliarden einsparen – nur Sachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern würden weiter geringfügig belastet. Besonders profitieren würden mit Nordrhein-Westfalen (9,9 Milliarden), Bayern (rund 7,7), Baden-Württemberg (etwa 6) und Rheinland-Pfalz (um 3,5) vier westdeutsche Länder. „Wenn für Beamte auch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht gelten würde, würden nicht nur die meisten Länder finanziell profitieren, sondern auch der Bund“, sagt Mohn. So würde jeder Steuerzahler entlastet.