Günter Grass war also in der Waffen-SS. Allerhand. Genau so haben wir ihn uns immer vorgestellt: Der gemütliche Schmöcker-Opi mit Maschinenpistole auf dem Kampfpanzer in Richtung Osten. Den Pfeifenrauch bedächtig in den russischen Himmel blasend, die Schlupflider flatternd im Morgenwind.
Seit Tagen lese ich staunend die Presseberichte und frage mich: Warum wird diesem Thema so viel Platz eingeräumt? Die späte Nachricht aus Grass' Pfadfindertagen schüttet bei jüngeren Deutschen etwa so viel Adrenalin aus, wie der Video-Podcast von Angela Merkel - sie haben die von seinen besorgten Kollegen eifrig eingeforderte Güntertrennung längst vollzogen.
Wer sich überhaupt einmal an Grass' ballaststoffhaltigem Spätwerk (z.B. "Die Rättin") versucht hat - und das dürften keine 0,05% der deutschen Bevölkerung sein -, kann dazu nur sagen: Seinem literarischen Output ist die schneidige Kürze seiner Ex-Kameraden, wie man sie aus Hollywoodfilmen kennt, leider nie zuteil geworden. Das Umblättern seiner Bücher ist mitunter so kurzweilig wie das Häuten einer Zwiebel. Insofern kommt seine plötzliche Rückbesinnung auf die Vergangenheit literarisch gesehen zu spät. Aber um späte Reue geht es wahrscheinlich gar nicht. Grass wollte einfach noch mal wie Oskar Mazerath genüsslich die PR-Blechtrommel rühren...