Starke Bauchschmerzen bei Säuglingen lassen sich durch Akupunktur effektiver therapieren als nur mit herkömmlichen Methoden – zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam, das die Behandlung mit Nadeln als ergänzende Maßnahme in einem Testverfahren untersuchte.
Gerade in den ersten Lebensmonaten leiden viele Säuglinge häufig unter Schreiattacken. Die Ursache ist schwer nachweisbar, Experten vermuten schmerzhafte Koliken im Darm. Davon gingen auch Kajsa Landgren und Inger Hallström von der Universität Lund in ihrer aktuellen Studie aus. Sie beschäftigten sich mit dem Thema Akupunktur. Die sanfte Behandlung mit Nadelstichen soll die Beschwerden deutlich lindern und schneller ausheilen lassen.
Ziel der Studie war, herauszufinden, ob das alternative Behandlungsverfahren bei Schmerzen, die in dieser Entwicklungsphase als Drei-Monats-Koliken bezeichnet werden, eine wirksame Therapie darstellen. Um diese Frage zu klären, machten die Wissenschaftler einen Vergleich: Zwei Akupunkturmethoden wurden einer reinen Standardbehandlung gegenübergestellt.
Untersucht wurden 147 zwischen zwei und acht Wochen alte Säuglinge, die mit Koliken diagnostiziert worden waren. Die Babys wurden in drei Gruppen aufgeteilt, alle erhielten eine Standardtherapie, nur zwei wurden zusätzlich zweimal wöchentlich mit Nadeln behandelt. Patienten der ersten Gruppe wurde ergänzend zur Standardtherapie jeweils zwei bis fünf Sekunden lang eine Akupunkturnadel gesetzt. Gruppe zwei erhielt zusätzlich zum herkömmlichen Therapieprogramm eine abgewandelte Variante: Je eine Nadel wurde an fünf Akupunkturpunkten in die Haut gestochen, die Dauer betrug bis zu dreißig Sekunden. In der dritten Gruppe wurde keine Akupunktur angewendet.
In der Studie ist von „usual care“ die Rede – damit meinen die Autoren die Standardbehandlung, die den Patienten aller drei Gruppen zuteil wurde. Dabei handelt es sich um Besuche an CHCs (public child health centers), die Eltern in Schweden in den ersten drei Lebensmonaten ihrer Kinder sieben Mal kostenlos in Anspruch nehmen können. Im Rahmen der Studie nahmen alle Eltern insgesamt zusätzliche vier Extratermine in einem CHC wahr. Eine spezialisierte Betreuerin nahm sich 20 bis 30 Minuten Zei, um Fragen zu beantworten, Empfehlungen zu geben und Symptome zu besprechen. Wie das Programm einer usual care konkret aussah, geht aus der Studie nicht klar hervor.
Bei einer Akupunktur von Erwachsenen wird gemeinsam mit dem Patienten die ideale Dosis und Intensität gefunden. Das ist bei Säuglingen natürlich nicht möglich. Deshalb wurden die Nadeln so mild eingesetzt, dass man von einer minimalen Therapie sprechen kann. Viele Kinder weinten nicht, nur die wenigsten wachten auf, wenn die Akupunktur im Schlaf angewendet wurde. Wie wirksam die Einheiten also tatsächlich waren, lässt sich schwer sagen.
Bis zu einem gewissen Grad ist Babyschreien eine natürliche Form der Kommunikation, bei lang andauerenden und heftigen Anfällen sind laut Experten allerdings oft Koliken im Spiel. In den zwei Wochen sollten die Eltern deshalb ein Schrei-Tagebuch führen. In welche Gruppe ihr Kind eingeteilt worden war, wussten sie nicht. Zunächst ließen die Schreiattacken in allen drei Gruppen sukzessive nach – eine typische Entwicklung, da Koliken meist von selbst ausklingen.
Die Forscher kamen zu folgendem Ergebnis: In den beiden Akupunktur-Gruppen nahm das Schreien mehr und deutlich schneller ab. Dieser Effekt blieb selbst sechs Tage nach der letzten Nadel-Anwendung bestehen. Auch nach dem Untersuchungszeitraum ließ sich ein positiver Effekt erfassen: Bei Patienten der Akupunktur-Gruppen wurde nach Abschluss der Studie deutlich seltener eine Kolik diagnostiziert – in Gruppe eins waren es 16 Säuglinge, in Gruppe zwei 21 und in letzterer 31. Landgren und Hallström betonen, dass weitere Studien notwendig sind, um die optimalen Positionen für Einstiche und Stimulation zu finden sowie ideale Einsatz-Intervalle zu eruieren. Originalpublikation: Effect of minimal acupuncture for infantile colic: a multicentre, three-armed, single-blind, randomised controlled trial (ACU-COL) Kajsa Landgren, Inger Hallström; Acupuncture in Medicine, doi: 10.1136/acupmed-2016-011208; 2016