Patienten mit schweren Herzerkrankungen stufen ihr Leiden häufig als zu harmlos ein, berichten Wissenschaftler. Eine vertane Chance: Würden Ärzte Betroffene besser aufklären, hätten weitaus mehr Menschen die Chance auf eine palliative Versorgung.
In Deutschland stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 338.056 Todesfällen (2014) an der Spitze der Statistik, berichtet das Statistische Bundesamt (DESTATIS). Besonders häufig sterben Patienten an der chronisch ischämischen Herzkrankheit (69.890 Fälle), gefolgt von akuten Myokardinfarkten (48.181 Fälle) und Herzinsuffizienzen (44.551 Fälle). Betroffene sind zuvor jahrelang in kardiologischer Behandlung. Wie schlecht es um sie bestellt ist, wissen sie oft nicht.
Zu diesem Ergebnis kommen Barnaby Hole und Joseph Salem im Rahmen einer aktuellen Veröffentlichung. Sie screenten bei einer Literaturrecherche 6.837 Artikel. Neun Papers mit 729 Patienten eigneten sich für die weitere Auswertung. Im Fokus standen Erkrankungen wie Herzinsuffizienzen (573 Fälle), die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (89 Fälle), Nierenversagen (62 Fälle) sowie chronische Nierenerkrankungen (fünf Fälle). In nahezu allen Fällen schätzten Laien ihre verbliebene Lebenszeit zu optimistisch ein. Von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz erwarten beispielsweise nur fünf Prozent, in den nächsten drei Jahren zu sterben. In der Realität waren es rund 30 Prozent. Bei schwerer COPD rechneten lediglich acht Prozent mit ihrem Tod innerhalb eines Jahres. Tatsächlich ereilte dieses Schicksal 27 Prozent. Lediglich bei Niereninsuffizienzpatienten lagen Befragte mit ihrer Prognose richtig – nur zehn Prozent starben innerhalb von zwölf Monaten. Wie Hole und Salem herausfanden, irrten sich vor allem jüngere Patienten, Patienten ohne Depression und Patienten mit besonders schwerer Grunderkrankung .
„Patienten überschätzen ihre Lebenserwartung aus einer Reihe von Gründen“, sagt Joseph Salem. „Vielleicht hat man ihnen nie erzählt, dass ihre Grunderkrankung die Lebenserwartung beeinflusst. Vielleicht haben sie von Ärzten auch unrealistische Prognosen erhalten. Oder vielleicht haben sie sich selbst zu große Hoffnungen gemacht.“ Darin sieht Salem eine vertane Chance: „Wissen Patienten, wie es um sie steht, können sie ganz andere medizinische oder finanzielle Entscheidungen treffen.“ Barnaby Hole ergänzt: „Jetzt sind Ärzte gefordert, um herauszufinden, welche Patienten ihre Prognose bereits kennen oder davon profitieren würden, zu wissen, wie es um sie steht.“ Informationen sollten laiengerecht transportiert werden, um Menschen Entscheidungen zu erleichtern.