Der Traum vom Fliegen – in luziden Träumen wird er wahr. Neu entwickelte Stirnbänder beeinflussen durch elektrische Stimulation oder Lichtsignale den Schlafenden und sollen Klarträume möglich machen. Ein innovatives Gadget oder ein gefährliches Spielzeug?
Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat einmal in ihrem Leben einen Klartraum, bei etwa 20 Prozent tritt dieses Phänomen einmal im Monat oder öfters auf. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Meta-Analyse englischer Wissenschaftler um David Saunders [Paywall] von der Universität von Northampton. Die meisten Schlafenden träumen jedoch eher selten luzid: Nur bei jedem 20. tritt das Phänomen mindestens einmal pro Woche auf.
Bei Klarträumen oder auch luziden (leuchtenden) Träumen ist sich der Träumende bewusst, dass er träumt. Er kann dieses Bewusstsein dazu nutzen, entweder aufzuwachen, in Handlungen aktiv einzugreifen oder aber das Geschehen passiv zu beobachten. Die Klarträumer können sich während ihres Traums an ihren Wachzustand erinnern. Sie können sich – wenn sie wach sind – vornehmen, bestimmte Dinge im Traum zu tun und diese dann auch ausführen. Manche erinnern sich sogar an vergangene Klarträume.
Ist luzides Träumen nur ein reizvolles Experiment oder gibt es einen zusätzlichen Nutzen für jene, die diese Technik beherrschen? Mit diesem Thema haben sich Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie vor zwei Jahren beschäftigt. Sie entdeckten, „dass bei Klarträumern der Bereich im Gehirn größer ist, der es ermöglicht, sich über das eigene Denken Gedanken zu machen. Klarträumer sind also möglicherweise auch im Wachzustand stärker selbstreflektierend.“
Doch was tun, wenn man nicht zu den „Auserwählten“ gehört, bei denen das luzide Träumen spontan auftritt? Die gute Nachricht: Klarträumen kann man lernen. Hierfür gibt es verschiedene Techniken, die sich grundsätzlich zwei Bereichen zuordnen lassen: Kognitive Methoden, bei denen man bestimmte Übungen durchführt und Methoden, bei denen externe Reize wie beispielsweise Lichtblitze eingesetzt werden.
Wie man träumt, lässt sich laut eines kroatischen Unternehmens iWinks von außen stark beeinflussen. Ihr entwickeltes Stirnband Aurora erfasst während des Schlafens die Gehirnaktivität seines Trägers. Registriert es, dass der Schlafende sich in der Traumphase (REM-Schlaf) befindet, sendet es Lichtsignale aus. Diese sollen den Träger im Traum daran erinnern, dass er gerade träumt.
Anders das Stirnband, das das US-Start-up Aladdin entwickeln möchte: Dieses soll den präfrontalen Cortex, der unter anderem das Denken kontrolliert, durch sanfte elektrische Stimulation aktivieren. Dadurch soll dem Stirnbandträger bewusst werden, dass er sich gerade in einem Traum befindet. Als wissenschaftliche Grundlage dafür, dass es überhaupt möglich ist, Klarträume durch Stimulation von außen zu induzieren, verweisen die Unternehmer auf die Arbeit von Ursula Voss [Paywall]. 2014 hatte die deutsche Privatdozentin in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience publiziert, dass Gammawellen mit einer Frequenz von 25 bis 40 Hz Traumerlebnisse auslösen können, die typisch für luzide Träume sind.
Psychologe Prof. Michael Schredl, wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors des ZI Mannheim, und einige seiner Kollegen stehen diesen Entwicklungen skeptisch gegenüber. „Dies hat folgende Gründe: Erstens ist die Studie von Frau Voss und anderen […] alles andere als schlüssig, da nicht wirklich luzide Träume induziert wurden“, erklärt Schredl. Zweitens sei nach dem Wissenschaftler auch nicht geklärt, ob und welche Nebenwirkungen die Stimulation mit Wechselstrom hervorruft. Diese könne bis hin zu epileptischen Anfällen gehen. „Ich würde auch gerne die Daten der auf der Internetseite erwähnten Replikationsstudie sehen. Wir selbst haben eine Studie mit Gleichstromstimulation durchgeführt und kleine Effekte bei erfahrenen luziden Träumern gesehen,“ gibt Schredl zu bedenken. Sein Rat ist daher „Finger weg“.
Prof. Michael Schredl beschäftigt sich seit Jahren mit der Traumforschung © privat Schredl hatte mit Prof. Daniel Erlacher von der Universität Bern und zwei weiteren Autoren die Evidenz für verschiedene Klartraum-Induktionstechniken [Paywall] unter die Lupe genommen: Die MILD-Technik (engl.: Mnemonic Induced Lucid Dream), dem gedächtnis-induzierten Klartraum, beruht auf Autosuggestion, einer Reihe von Übungen sowie Eselsbrücken, an denen man erkennen kann, dass man träumt. „MILD ist nur wirklich effektiv in Zusammenhang mit der Wake-up-back-to-bed-Technik: Sechs Stunden schlafen (geweckt werden, Wecker oder Versuchsleiter), eine Stunde lang den aktuellen Traum (oder früheren Traum) mit MILD durchgehen, dann weiterschlafen. Im Labor hat mein Kollege, Prof. Daniel Erlacher, fast 50% Erfolgsquote (bisher die wirksamste Technik), allerdings scheint es zuhause alleine nicht so gut zu klappen,“ so Schredl. „WILD ist nur etwas für Fortgeschrittene, das gelingt sehr wenigen Menschen“. Die Abkürzung steht für Wake-Initiated Lucid Dream (wach eingeleiteter Klartraum). Angewendet wird sie beispielsweise von buddhistischen Mönchen im Rahmen des „Traumyogas“.
„Die WILD-Methode versucht, aus dem Wachzustand heraus einen Klartraum einzuleiten. Dabei muss man es schaffen so lange regungslos im Bett zu liegen, bis der Körper das Signal bekommt, den Schlaf einzuleiten, muss aber währenddessen das Bewusstsein wach und aktiv halten, um den Übergang vom Wach- in den Traumzustand „live“ mitzuerleben“, erklärt Thiemann. Die DILD-Methode (Dream-Initiated Lucid Dream), zu der auch MILD zählt, zielt darauf ab, die Traumerinnerung zu verbessern und sich gleichzeitig ständig die kritische Frage zu stellen, ob man gerade wach ist oder einen Traum erlebt. „Um sich diese Frage zu beantworten, macht man einen „Reality Check“, hält sich also z. B. die Nase zu und versucht durch sie zu atmen. Das funktioniert wach natürlich nicht, im Traum aber sehr wohl,“ so Thiemann.
Für Menschen, die das Klarträumen erlernen wollen, empfiehlt Schredl die Reality-Check-Methode. Seminare, um die Techniken zu erlernen, seien auch interessant. Da jedoch ein Großteil der Menschen Wochen zum Erlernen benötigen, seien fortlaufende Kurse besser als Wochenendseminare. „Die Erfahrung von Frau Holzinger, Leiterin des Wiener Institut für Bewusstseins- und Traumforschung, zeigt jedoch, dass auch bei mehrwöchigen Kursen nicht alle Teilnehmer das luzide Träumen erlernen. Bei den meisten Menschen braucht es viel Geduld und Ausdauer“.