Die Blutdruckwerte der werdenden Mutter beeinflussen das Geschlecht des ungeborenen Kindes, berichten kanadische Wissenschaftler. Die Kohortenstudie hat einige Schönheitsfehler, liefert aber trotzdem Impulse für die Forschung.
Selbst bei Laien sind die Folgen einer Präeklampsie hinlänglich bekannt. Dass Blutdruckschwankungen auch zu Beginn der Schwangerschaft Folgen haben, zeigen Forscher um Ravi Retnakaran aus dem kanadischen Ontario. Zusammen mit Kollegen wertete er Daten von mehr als 1.400 frisch verheirateten Frauen aus. Die Studienteilnehmerinnen kamen aus China oder Kanada. Sie wollten möglichst schnell schwanger werden, was im Schnitt nach 26 Monaten gelang.
Wie Retnakaran berichtet, kamen 739 Jungen und 672 Mädchen zur Welt. Ärzte bestimmten noch vor Beginn der Schwangerschaft etliche Vitalparameter und sonstige Faktoren. Dazu gehörten der Blutdruck, der Body-Mass-Index, verschiedene Blutwerte wie den Glucose-, der Triglycerid- und der Cholesterinspiegel. Eckdaten wie der Bildungsstand oder das Alter kamen noch hinzu. Bei der Auswertung erlebten Forscher eine Überraschung. Lediglich der systolische Blutdruck korrelierte mit dem Geschlecht von Babys. Frauen, die einen Jungen zur Welt brachten, hatten vor ihrer Schwangerschaft höhere Werte als bei weiblichem Nachwuchs. Allerdings lag der Unterschied systolisch bei 3 mmHg, und die Standardabweichung betrug 12 mmHg, was starke Zweifel an der Praxisrelevanz laut werden lässt. Methodische Schwächen kommen noch hinzu. Es wurde nie abgefragt, ob Studienteilnehmerinnen Arzneimittel gegen Hypertonie – oder vielleicht auch gegen Hypotonie – einnehmen. Auch die Blutdruckmessung selbst war nicht frei von Fehlern.
Wissenschaftler lässt die Arbeit trotz ihrer Makel nicht kalt. Schon lange interessieren sie sich für die Frage, wieso stark unterschiedliche Geschlechterverhältnisse auftreten. In Friedenszeiten kommen laut DESTATIS auf 1.050 Jungengeburten rund 1.000 Mädchengeburten. Das Geschlechterungleichgewicht ist auf Basis vorhandener Daten schon seit 1872 zu beobachten. Als langfristiger Durchschnitt ergibt sich ein Verhältnis von 1.058 lebend geborenen Jungen je 1.000 lebend geborene Mädchen. Diese Proportion von Neugeborenen kippte in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Zweiten Weltkrieg. Forscher erklären das Phänomen mit biologischen Faktoren. Männliche Feten gelten als empfindlicher, und Fehlgeburten häufen sich, lautet eine These. Retnakarans Arbeit liefert weitere Spuren. Sinkt der Blutdruck, sterben männliche Feten vielleicht häufiger ab. Details wird nur eine Studie mit mehr Teilnehmerinnen an das Licht bringen.