Kohlenstoffionen könnten die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mittels Katheterablation ersetzen. Die nicht-invasive Methode ist besonders schonend und kostet zudem nur wenig Zeit. Außerdem können die Ionen in schwer erreichbare Bereiche des Herzgewebes vordringen.
In Deutschland leiden etwa 350. 000 Patienten unter verschiedenen Herzrhythmusstörungen. Bei Herzrhythmusstörungen wie dem Vorhofflimmern oder der Herzkammertachykardie gerät das Herz aus seinem regulären Takt, der durch einen Impulsgeber, den Sinusknoten, vorgegeben wird. Die Behandlung erfolgt häufig mit Medikamenten oder einer Katheterablation. Basierend auf diesem Prinzip könnte mit Ionen aus dem Teilchenbeschleuniger in Zukunft eine Behandlung ohne Katheter durchgeführt werden.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass mit den hochenergetischen Kohlenstoffionen von außen gezielt Veränderungen am Herzgewebe erzeugt werden können, die die Weiterleitung des elektrischen Signals verhindern. Diese Methode mit Kohlenstoffionen wurde nun erstmals von Wissenschaftlern am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt in Zusammenarbeit mit Medizinern und Wissenschaftlern der Mayo Clinic (Minnesota, USA), dem Helmholtzzentrum Dresden-Rossendorf und vier weiteren Einrichtungen überprüft. Nach vorangehenden Tests an Herz-Zellkulturen und an schlagenden Herz-Präparaten hatten die Wissenschaftler eine Tierstudie ausgearbeitet. „Die neue Methode ist ein großer Schritt in die Zukunft, da sie uns erlaubt, diese Behandlung erstmals komplett ohne Katheter und dennoch zielgerichtet durchzuführen,“ sagt Dr. H. Immo Lehmann, Mediziner und Wissenschaftler der Mayo Clinic.
„Die Studie hat gezeigt, dass die Methode erfolgreich dazu genutzt werden kann, Herzgewebe so zu verändern, dass die Ausbreitung störender Impulse dauerhaft unterbrochen wird. Weitere detaillierte Studien sind jedoch nötig, bis die Methode erstmals Patienten zugutekommen wird“, sagt Dr. Christian Graeff, Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Physik bei GSI. Die Bestrahlung des Gewebes mit Kohlenstoffionen verspricht schonender und potentiell auch wirksamer zu sein als die Behandlung mit Katheter. Sobald die Methode technisch ausgereift ist, wird ein Eingriff nur wenige Minuten dauern, im Vergleich zu den teilweise stundenlangen Kathetereingriffen. Ein wesentlicher Vorteil ist die nicht limitierte Eindringtiefe der Ionen. Da insbesondere die linke Kammerwand des Herzens besonders dick ist, ist eine effektive Verödung mit Kathetern dort oft nicht möglich, obwohl gerade an dieser Stelle besonders schwer betroffene Patienten mit sogenannter Ventrikulärer Tachykardie behandelt werden müssten.
„Es ist beeindruckend, dass der Kohlenstoff-Strahl mit chirurgischer Präzision bei der Behandlung besonders sensibler Organe eingesetzt werden könnte,“ sagt Paolo Giubellino. „Der reiche Erfahrungsschatz bezüglich Ionenstrahlen in der Medizin ist die Grundlage dieser neuen, vielversprechenden Behandlungsmethode“, „Das Wissen über die biologische Wirksamkeit von Kohlenstoffionen und das technologische Know-How für die Bestrahlung von Patienten sind unerlässlich, um eine solche Idee zur Anwendungsreife zu bringen [...].“ Die Wissenschaftler griffen bei ihrer Studie auf viele Technologien zurück, die ursprünglich für die Krebstherapie mit Ionen entwickelt wurden. Originalpublikation: Feasibility Study on Cardiac Arrhythmia Ablation Using High-Energy Heavy Ion Beams H. Immo Lehmann et al.; Scientific Reports, doi: 10.1038/srep38895; 2017