Forscher gingen in einer aktuellen prospektiven Kohohrten-Studie der Frage nach, wie sich der Genuss von koffeinhaltigen Getränken in der Schwangerschaft auf das Risiko von Frühgeburten, das Geburtsgewicht, die Schwangerschaftsdauer und die Größe des Embryos auswirkt.
Bisherige Studien kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Daher sollte die neue Studie, die in der Zeitschrift "BMC Medicine" veröffentlicht wurde und für die 59.123 gesunde Schwangere in Norwegen befragt wurden, Klarheit schaffen, ob die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, nicht mehr als 300 mg Koffein/Tag während der Schwangerschaft zu konsumieren, bzw. 200 mg/Tag (American College of Obstetricians and Gynecologists, Food Safety Authority Norwegen) aufrecht erhalten werden können. Diese Grenzwerte werden bereits bei einem relativ geringen Konsum von einer Tasse Filterkaffee, zwei kleinen Espressi oder zwei bis drei Tassen Schwarztee erreicht. Die schwedisch-norwegische Studie basiert auf der Norwegion Mother and Child Cohort Study (MoBa), die vom Norwegischen Institut für Public Health in den Jahren 2000 bis 2009 durchgeführt wurde und 108.000 Schwangerschaften untersuchte. 38,5 Prozent der eingeladenen Frauen haben an der Untersuchung teilgenommen. Die Teilnehmerinnen wurden aufgefordert, Fragebögen in den Schwangerschaftswochen 17,22 und 30 auszufüllen und Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand, Lifestyle-Verhalten und Ernährungsgewohnheiten und ihrem Konsum koffeinhältiger Getränke, wie Kaffee, Schwarzem Tee oder Cola-Getränke und Schokolade zu beantworten.
Insgesamt nahmen die Frauen vor ihrer Schwangerschaft im Schnitt 126mg Koffein/Tag zu sich, 7.406 Frauen konsumierten überhaupt kein Koffein. In der Schwangerschaftswoche 17 hat sich die Zahl der Nicht-Koffein-Konsumentinnen auf 14.012 Frauen verdoppelt und der durchschnittliche Koffeinverbrauch ist auf 44mg/Tag gesunken. In der Schwangerschaftswoche 30 stieg der durchschnittliche Koffeinverbrauch auf 62mg/Tag und 9.762 Frauen haben kein Koffein konsumiert. Um die Auswirkungen des Koffeinkonsums auf das Geburtsgewicht quantifizieren zu können, wurde für alle Studienteilnehmerinnen ein erwartetes, durchschnittliches Geburtsgewicht von 3.600 Gramm errechnet. Der Unterschied zwischen Geburtsgewicht (BW) und erwartetem Geburtsgewicht wurde als Prozentsatz des erwarteten Geburtsgewichtes berechnet.
Das Ergebnis: Der Konsum von 100mg Koffein pro Tag führte zu einer Reduktion des Geburtsgewichtes zwischen 21 und 28g, abhängig von den drei zugrundeliegenden Wachstumskurven von Gardosi, Skjaerven und Marsal. Bei den schwangeren Nichtraucherinnen (54.136 Frauen) war die Reduktion des Geburtsgewichts geringer (zwischen 12 und 15 Gramm). Bei einem täglichen Konsum von 200 mg Koffein verringerte sich das Geburstgewicht im Schnitt zwischen 60 und 70 Gramm. Studienleiterin und Gynäkologin Dr. Verena Sengpiel vom Sahlgrenska-Universitätsklinikum in Göteborg begründet den Gewichtsrückgang mit dem ungehinderten Passieren von Koffein durch die Plazentaschranke. "Im mütterlichen Blut bewirkt das Koffein eine Zunahme von zyklischem Monophosphat und Epinephrin (Adrenalin), wodurch es zu einer uteroplanzentaren Gefäßverengung kommt und in Folge die Plazenta schlechter durchblutet wird". Als Folge könnte dies das Wachstum der Föten negativ beeinflussen, vermuten die Studienautoren. Eine andere These wurde von Weathersbee et al. postuliert: Demnach wirkt Koffein als Phosphodiesterase-Hemmer, was zu einem Anstieg des zellulären Botenstoffs cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) führt und dadurch das Wachstum des Föten beeinträchtigt.
Neben den Auswirkungen auf das Geburtsgewicht untersuchten die Studienautoren die Korrelation zwischen Koffein und Körpergröße zum Zeitpunkt der Geburt (small for gestational age: SGA). Laut Definition sind Kinder mit einem Geburtsgewicht unterhalb der zehnten Perzentile SGA. Tatsächlich ist SGA mit einem erhöhten Sterberisiko bei Neugeborenen sowie mit kurz- und langfristiger Morbidität verbunden. In Norwegen liegt die Prävalenz für SGA bzw. Frühgeburten (PTD) zwischen fünf und sieben Prozent. Jene 7,7 Prozent der Frauen, die täglich zwischen 200 und 300mg Koffein konsumierten, hatten demnach ein um fast ein Drittel höheres Risiko SGA-Kinder zur Welt zu bringen im Vergleich zu denjenigen Frauen die zwischen 0 und 50mg Koffein/Tag konsumierten. Bei denjenigen 3,3 Prozent der Frauen, die mehr als 300mg Koffein/Tag zu sich nahmen lag das relative Risiko für SGA-Geburten bei 60 Prozent.
Der Konsum von 100mg Koffein/Tag aus allen untersuchten Quellen (von Kaffee, über Schokolade, koffeinhältige Limonaden etc.) erhöht die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer (gestational length) um fünf Stunden, wurde das Koffein ausschließlich in der Form von Kaffee konsumiert, verlängerte sich die Schwangerschaft sogar um acht Stunden. "Eine mögliche Begründung ist, dass sich im Kaffee Substanzen befinden, welche die Schwangerschaftsdauer beeinflussen, die in den anderen Koffeinquellen nicht vorhanden sind", vermutet Sengpiel. Beispielsweise haben Melanoidine, die während des Kaffee-Röstprozesses entstehen antioxidative und antimikrobielle Wirkungen, was den Zeitpunkt der Geburt beeinflussen könnte.
"Wir haben keinen Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und Früh-bzw. Fehlgeburten gefunden", berichtet Sengpiel. Auch schwerwiegende Komplikationen konnten bei Frauen, die viel Koffein konsumiert haben, nicht häufiger nachgewiesen werden, als bei Schwangeren, die weit unter den empfohlenen Tagesdosen lagen. In der Studie konnten 1.451 Fälle von spontanen Frühgeburten (PTD) nachgewiesen – davon waren 240 frühe und 1.211 späte PTDs – verglichen mit der Kontrollgruppe von 27.498 Frauen.
Nach Ansicht der Studienautoren war dies die erste Studie, die einen getrennten Zusammenhang zwischen Schwangerschaftsdauer und Koffein aus Kaffee und Koffein aus anderen Quellen herstellte. "Wir fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen Koffeinkonsum und SGA und geringerem Geburtsgewicht", so die Studienautoren. Dies wurde durch ähnliche Resultate bei anderen Koffeinquellen erhärtet. Einen der häufigsten Confounder für die Auswirkungen von Koffein konnten durch die Untergruppe der Nichtraucherinnen ausgeschlossen werden. "Unsere Ergebnisse könnten durchaus klinische Relevanz haben. Da das Risiko für SGA-Geburten auch bei der von Norwegen empfohlenen Tagesration von 200mg Koffein zunimmt, sollte dieser Zusammenhang weiter erforscht werden und die bisherigen Empfehlungen neu evaluiert werden. In der Zwischenzeit empfehlen die Studienautoren, Frauen während der Schwangerschaft generell ihren Koffeinkonsum so weit wie möglich einzuschränken.