Derzeit werden in einer klinischen Phase-1-Studie erste Patienten mit Stammzellen behandelt. Es handelt sich um die einzige Studie in Deutschland; gerade einmal fünf sind es in ganz Europa und nur 18 registrierte Studien laufen momentan weltweit.
Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden nach aktuellen Schätzungen an einer Arthrose. Im Extremfall bleibt als einzige Therapie der künstliche Gelenkersatz. Mehr als zwei Millionen Menschen tragen nach Angaben der Deutschen Arthrose-Hilfe allein in Deutschland bereits ein künstliches Gelenk. Jährlich werden hier etwa 150.000 künstliche Hüftgelenke, 150.000 künstliche Kniegelenke sowie 6.000 künstliche Schultergelenke eingesetzt. „Wir werden insgesamt sechs Patienten in diesem Jahr mit Stammzellen behandeln. Die erste Behandlung hat vor drei Wochen stattgefunden“, sagt Professor Ulrich Nöth, Leiter des Schwerpunktes Tissue Engineering/Regenerative Medizin an der Orthopädischen Klinik und Projektleiter der Pilotstudie. Weitere zwölf Patienten erhalten die gleiche Therapie bei Projektpartnern im französischen Montpellier. Stammzellen aus dem Fettgewebe Bei dieser Therapie setzen die Mediziner auf sogenannte „mesenchymale Stammzellen“ - Vorläuferzellen des Bindegewebes, die sich teilen und in die verschiedenen Zellen des Stütz- und Bindegewebes differenzieren können, wie beispielsweise Knochen, Knorpel, Bänder, Sehnen und Fettgewebe. Bei einem Eingriff, vergleichbar dem Fettabsaugen, entnehmen die Wissenschaftler den Patienten mesenchymale Stammzellen aus dem Fettgewebe. In einem speziellen Labor einer französischen Blutbank werden diese Zellen anschließend zwei Wochen lang vermehrt. Danach bekommt sie der Patient in den Gelenkspalt injiziert. Sechs Patienten haben die Mediziner in Würzburg und Montpellier inzwischen auf diese Weise behandelt. Bei allen war die Krankheit schon so weit fortgeschritten, dass der OP-Termin schon feststand, an dem sie ein künstliches Gelenk erhalten sollten. Die Ergebnisse der Stammzell-Therapie sind vielversprechend: „Über die ersten drei Monate hinweg geben alle Patienten an, dass sie seit der Stammzell-Injektion deutlich weniger Schmerzen verspüren als zuvor“, sagt Professor Nöth. Auch ihre Mobilität habe deutlich zugenommen: Viele gingen wieder einkaufen, selbst Treppensteigen ginge wieder besser - alles Tätigkeiten, zu denen sie vorher nur bedingt in der Lage gewesen seien. Insgesamt berichten die meisten, dass sich ihre Lebensqualität verbessert habe. Ziel: Operationen verzögern Wie im Detail die Stammzellen diese Veränderungen bewirken, ist derzeit noch unklar. „Wir wissen nur, dass die Zellen gegen den Entzündungsreiz wirken und damit die typischen Symptome deutlich lindern“, sagt Nöth. Eine schützende Knorpelschicht neu bilden: Dazu seien die Zellen wahrscheinlich nur teilweise in der Lage. Aus diesem Grund hält der Mediziner die Stammzelltherapie eigentlich für einen anderen Kreis von Patienten für geeigneter: Patienten im Alter zwischen 40 und 50 Jahren mit einer moderat ausgeprägten Arthrose - „zu jung für eine Prothese und zu alt für eine Knorpelzelltransplantation“, wie Nöth sagt. Bei ihnen könnte die Gabe von Stammzellen den Zeitpunkt, zu dem ein künstliches Gelenk fällig wird, signifikant nach hinten schieben. Zwei Millionen mesenchymale Stammzellen haben die ersten sechs Teilnehmer der Studie in das Kniegelenk verabreicht bekommen. Nachdem sie diese Behandlung ohne Komplikationen überstanden haben und unerwünschte oder unerwartete Ereignisse ausgeblieben sind, dürfen die Mediziner bei den nächsten sechs die Dosis steigern: Dann wird die Spritze zehn Millionen Zellen enthalten. Läuft auch in diesem Fall alles problemlos, erhält das dritte Drittel der Studienteilnehmer die maximale Dosis von 50 Millionen Zellen. Bis Ende 2013 sollen die Ergebnisse dieser Phase-1-Studie vorliegen. Und danach? Möchte Ulrich Nöth so schnell wie möglich mit der Phase-2-Studie beginnen. Ob das klappt, ist derzeit noch offen. „Für eine solche Studie benötigt man sehr viel mehr Patienten. Dann steigen die Kosten gleich auf mehrere Millionen Euro“, sagt er. Für einen Lehrstuhl oder eine Klinik sei das ohne Unterstützung durch Dritte nicht zu schaffen.