Beim Vorhofflimmern geht‘s meist um Antikoagulation und Ablation. Es gibt jedoch noch eine Option: den Verschluss des Vorhofohres mit einer Art "Stöpsel". Erste Studien lassen hoffen. Doch einige Härtetests stehen noch aus, etwa der Vergleich mit neuen Blutverdünnern.
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Derzeit betrage die Prävalenz etwa ein bis zwei Prozent, schreiben Dr. Nicolas Geis und seine Mitautoren von der Universitätsklinik Heidelberg. Dass eine Therapie beim VHF meist erforderlich ist, hat einen bekannten Grund: Das Schlaganfall-Risiko ist deutlich erhöht - im Vergleich zu Patienten ohne VHF um etwa das Fünffache. Jährlich betrage das Risiko "über alle Altersgruppen hinweg etwa fünf Prozent", so Geis. Schätzungsweise bis fast zu einem Drittel aller Schlaganfälle seien durch VHF bedingt. Dabei verlaufen nach Angaben der Heidelberger Kardiologen etwa 20 Prozent dieser zerebrovaskulären Thrombembolien tödlich; ein weiterer erheblicher Anteil führe zu "chronischer Invalidisierung".
Behandelt wird beim nicht-valvulären VHF in der Regel mit einem Antikoagulans, wobei inzwischen mehrere unterschiedliche Präparate zur Verfügung stehen - außer den klassischen Vitamin-K-Antagonisten die Gerinnungshemmer Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban. Die antikoagulative Therapie hat einige Tücken. Beispiel Vitamin-K-Antagonisten: Das so genannte therapeutische Fenster ist eng, wird ein bisschen zu wenig antikoaguliert, bleibt das Schlaganfall-Risiko erhöht, wird ein wenig zu viel des Guten getan, können schwerwiegende, auch tödliche Blutungen auftreten. Auf eine gerinnungshemmende Therapie ganz zu verzichten, ist natürlich keine Lösung. Seine wichtigste Botschaft in diesem Zusammenhang sei, dass überhaupt antikoaguliert werde, so immer wieder der Essener Neurologe Professor Hans-Christoph Diener. Dieser mahnende Wunsch hat einen guten Grund: In der klinischen Praxis erhalten laut Geis nur etwa 50 bis 60 Prozent der VHF-Patienten mit hohem Risiko für thrombembolische Komplikationen eine orale antikoagulative Medikation. Darüber hinaus bestehe "für etwa 14 bis 44 Prozent der Patienten eine Kontraindikation für eine orale Antikoagulation". Zudem ist die Einstellung der Gerinnungshemmung mit Vitamin-K- Antagonisten nicht immer optimal. Dass hier ein gewisses Optimierungspotenzial besteht, zeigt unter anderen nur eine Studie, die kürzlich der Regensburger Kardiologe Privatdozent Dr. Peter Sick beim Internisten-Kongress in Wiesbaden zitiert hat. Danach ergab die Analyse der Daten von 597 Patienten mit bekanntem Vorhofflimmern, die wegen eines ersten Schlaganfalles hospitalisiert wurden: Nur zehn Prozent der Patienten waren mit ihrer Vitamin-K-Therapie im INR-Zielbereich, 29 Prozent lagen darunter, 29 Prozent erhielten einen Plättchenhemmer, zwei Prozent sogar zwei. 29 Prozent bekamen überhaupt keine gerinnungshemmende Therapie. Auch die Zulassungsstudien für die neuen Gerinnungshemmer Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban haben ergeben, dass die Einstellung der Patienten mit dem Vitamin-K-Antagonisten nicht immer so waren, wie sie sein sollten: Der prozentuale Anteil der INR im Normbereich (TTR: time in therapeutic range) betrug im Mittel unter 70 Prozent. Zu beachten ist hier allerdings, dass dies Durchschnittswerte sind; es gab, wie eine Auswertung der Dabigatran-Zulassungsstudie gezeigt hat, auch Kliniken mit besseren Werten.
Gleichwohl ist die Einstellung bei zu vielen Patienten suboptimal. Das "schreit geradezu nach einer Alternative", so Peter Sick auf dem Wiesbadener Internisten-Kongress. Und: "Was liege da näher, als das linke Vorhofohr mit einem 'Stöpsel' oder 'Schirmchen' zu verschließen?" Schließlich bilden sich über 90 Prozent der Gerinnsel beim VHF im linken Vorhofohr. Derzeit gibt es für einen solchen Verschluss laut Sick zwei Implantate mit CE-Zulassung: den Amplatzer Cardiac Plug (ACP) vom Unternehmen St. Jude Medical, der 2008 das CE-Zeichen erhielt, und das "Watchman-Device" von Boston Scientific (CE-Zertifizierung 2005). Der Amplatzer Cardiac Plug besteht aus einem selbstexpandierenden dreiteiligen flexiblen Nitinolgeflecht. Zu diesem Implantat gebe es noch relativ wenige Daten, so Sick. Was es gebe, seien eine europäische Multizenter-Beobachtungsstudie mit 204 Patienten und eine bizentrische Hamburger Studie. Insgesamt liegen bislang Daten für einen Zeitraum von 1214 Patienten-Monaten vor. Die Daten zur Effektivität seien recht vielversprechend: Ausgehend von einer erwarteten jährlichen Schlaganfall-Rate von 5,6 Prozent ergab sich eine Reduktion dieser Rate um 65 Prozent auf 1,98 Prozent (bezogen auf 101 Patienten-Jahre). Die Kehrseite sind Komplikationen bei der Implantation. Mehr Daten gibt es laut Sick zum "Watchman Device". Für die Auswertung liegen hier Daten aus 1.500 Patienten-Jahren vor. Auch dieses Implantat besteht aus einer selbstexpandierenden Nitinolrahmenstruktur. Die bislang wichtigste Studie zu diesem Implantat ist die 2009 im "Lancet" publizierte Studie "PROTECT AF". Dabei handelt es sich um eine prospektive randomisierte Studie, in der die minimal-invasive Therapie mit einer Vitamin-K-Antagonisten-Therapie verglichen wurde. In die Studie mit einer Beobachtungsdauer von bis zu fünf Jahren wurden 800 Patienten aus 59 Zentren eingeschlossen; 463 Patienten wurden der Implantat-Gruppe zugeordnet. Die TTR in der Kontroll-Gruppe mit Warfarin lag im Mittel bei 67 Prozent. Ein Hauptergebnis der Studie war, dass das minimal-invasive Verfahren der Medikation nicht unterlegen ist. Beim primären Effektivitäts-Endpunkt aus Schlaganfall, Tod oder Embolie lag die auf 1.500 Patientenjahre bezogene Rate in der Implantat-Gruppe bei 3,0 Prozent, in der Kontroll-Gruppe bei 4,3 Prozent, was einer relativen Reduktion um knapp 30 Prozent entspricht. Ebenso hoch war die Risikoreduktion bei der Gesamtmortalitätsrate (3,2 versus 4,5 Prozent).
Der Wermutstropfen war das Ergebnis zu den primären Sicherheits-Endpunkten bei der Intention-To-Treat-Analyse, bei der die Daten aller Patienten ausgewertet wurden, die an der Studie teilgenommen hatten. Hier schnitt die Implantat-Gruppe mit einer Rate von 5,5 im Vergleich zu 3,6 Prozent klar schlechter ab. Die Auswertung „per Protokol“, also die Auswertung der Daten jener Patienten, die wirklich das Implantat oder den Gerinnungshemmer erhalten hatten, zeigte laut Sick jedoch: „Das Konzept des Vorhofohrverschlusses ist absolut stimmig. Hier diese Ergebnisse in Prozent:
Aktuelle 45-Monats-Daten der Studie zeigen nun sogar, dass das Implantat beim primären Effektivitäts-Endpunkt nicht nur mindestens ebenso gut ist, sondern signifikant besser als Warfarin. Darüber hinaus schneidet Warfarin bei den aktuellen Sicherheits-Daten zwar immer noch besser ab als der Verschluss des Vorhofohres. Allerdings ist dieser Unterschied im Gegensatz zu früheren Ergebnissen nicht mehr signifikant. Die neuen Daten der Studie mit 2621 Patienten-Jahren sind gerade auf einem Kongress der US-amerikanischen Herzrhythmus-Gesellschaft in Denver präsentiert worden. Hier die aktuellen Daten (Analyse: „Intention to Treat“) zur Effektivität:
Hier die aktuellen Sicherheits-Daten; dieses Ergebnis ist statistisch nicht signifikant: Primärer Sicherheits-Endpunkt (Perikarderguss, schwere Blutungen, Schlaganfälle im Zusammenhang mit dem Eingriff, hämorrhagische Schlaganfälle, Implantat-Embolien): Relatives Risiko 1,17, also ein Plus von 17 Prozent zu Ungunsten des Implantats. Diese neuen Daten dürften auch für die FDA von großem Interesse sein. Denn im März 2010 hatte sich die US-Behörde aufgrund von Sicherheitsbedenken gegen die Zulassung ausgesprochen und weitere Studiendaten gefordert. Inzwischen liegen auch nicht-randomisierte Register-Daten (CAP: continued access trial) zu weiteren Patienten vor, die nach den Kriterien der PROTECT-AF-Studie mit dem Watchman-Implantat behandelt wurden. Die Auswertung zeigt eine signifikante Reduktion der periprozeduralen Komplikationen mit zunehmender Erfahrung der Operateure. Die Inzidenz therapiebedürftiger Perikardergüsse lag bei nur noch 2,2 Prozent. Periprozedurale Schlaganfälle gab es überhaupt keine mehr.
Aufgrund der FDA-Forderung wurde darüber hinaus im November 2010 die so genannte PREVAIL-Studie ins Leben gerufen. Laut Studienleiter Professor David R. Holmes von der Mayo Clinic in Rochester wurden 407 Patienten mit paroxysmalem, persistierendem oder permantem nicht-valvulären VHF nach dem Zufallsprinzip auf die Implantat-Gruppe (n = 269) oder die Warfarin-Gruppe (n = 138) aufgeteilt. Im Vergleich zu den Patienten der PROTECT-AF-Studie waren diese Patienten etwas kränker, der CHADS2-Score musste mindestens 2 betragen (im Mittel betrug er 2,6, in der PROTECT-AF-Studie 2,2). Über 20 Prozent der Operateure mussten "Neulinge" sein, durften also noch keine Erfahrung mit dem Eingriff haben (ein kleines Training ausgenommen). Zudem mussten 40 Prozent der Patienten von solchen "Anfängern" und in Kliniken behandelt werden, in denen es bis dahin keine Erfahrungen mit dem Verfahren gab. Die vorläufigen, sich bislang aber auf relativ wenige Patienten beziehenden Daten - 58 Patienten in der Implantat-, 30 in der Kontrolle-Gruppe - zeigen eine verbesserte Erfolgsrate bei der Implantation. Sie lag bei immerhin 95,1 Prozent. In der PROTECT- AF-Studie waren es 90,9 Prozent, in der Registerstudie 94, 3 Prozent. Zwei der drei unterschiedlichen primären Effektivitäts-Endpunkte wurden erreicht; die Rate vaskulärer Komplikationen war mit 4,4 Prozent im Vergleich zu den 8,7 Prozent in der PROTECT-Studie deutlich geringer; auch die Schlaganfall-Rate war in der 18-monatigen Beobachtungszeit mit 0,7 Prozent ausgesprochen niedrig.
Der minimal-invasive Verschluss des Vorhofohres habe, so Peter Sick, in „seiner Klinik“ schon „Eingang gefunden“. Er glaube auch, das dieses Verfahren in Zukunft in immer mehr Kliniken eingesetzt werde. Unstreitig ist: Noch fehlen weitere Langzeit-Daten, auch gute Analysen zu Kosten-Effektivität. Ebenso steht der „Härtetest“ noch aus, der Vergleich mit den neuen Gerinnungshemmern. Ob es diese sinnvollen, für die Unternehmen aber recht kostspieligen Daten jedoch bereits in naher Zukunft geben wird, ist durchaus in Frage zu stellen. Positiv zu sehen ist jedoch schon jetzt: Die Therapie gewinnt wohl an Vielfalt.