Gegen Krebs ist nicht ein Kraut gewachsen, sondern viele: So lässt sich zusammenfassen, was Mediziner herausfanden. Die Forscher untersuchten, wie das Protein p53 wirkt. Das Molekül nutzt demnach verschiedene Mechanismen, um vor unterschiedlichen Krebsarten zu schützen.
Beim Versuch, Genveränderungen zu erkennen, die Krebs verursachen, sind Wissenschaftler immer wieder auf das Gen p53 gestoßen, das in vielen Krebszellen auf die eine oder andere Weise abgewandelt ist. „Mehr als 50 Prozent aller Krebspatienten tragen Mutationen im Gen p53 oder aber in Genen, die p53 beeinflussen“, erläutert Seniorautor Thorsten Stiewe. Anscheinend können Tumore nur entstehen, wenn p53 nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das Molekül wirkt Krebserkrankungen auf mehreren Wegen entgegen, wie Stiewe darlegt: „Zum einen fördert p53 die zelleigene Reparatur der Erbsubstanz DNA, wodurch Schädigungen beseitigt werden. Man spricht daher auch vom ‚Wächter des Genoms‘.“ Das Protein könne aber auch die Zellteilung stoppen, damit DNA-Schäden, wenn sie denn einmal aufgetreten sind, nicht an Tochterzellen weitergegeben werden. „Und falls das Erbgut extrem geschädigt ist, aktiviert p53 sogar ein zelleigenes Selbstmordprogramm, durch das eine bösartig entartete Zelle für immer aus dem Organismus verbannt wird.“ Funktionsweise genauer aufklären Stiewe und seine Kollegen konnten bereits vor geraumer Zeit zeigen, dass sich die zellschützenden und die zelltötenden Wirkungen des Moleküls experimentell trennen lassen. Um Zellen abzutöten, müssen nämlich mehrere p53-Moleküle miteinander in Kontakt treten. „Sie müssen sich quasi die Hände reichen, um Hand in Hand auf den Zelltod hinzuarbeiten“, veranschaulicht Stiewe die Interaktion. Für die zellschützenden Wirkungen ist diese molekulare Zusammenarbeit dagegen nicht nötig. Um die Funktionsweise von p53 genauer aufzuklären, erzeugten die Forscher einen Mausstamm, dessen p53-Gen künstlich verändert ist: Die Kontaktstellen, an denen die Moleküle normalerweise interagieren, sind entfernt. Das Ergebnis: p53 ist in den betroffenen Tieren nicht in der Lage, Zellen abzutöten, behält aber seine zellschützenden Funktionen. Die Mäuse sterben bereits im Alter von etwa einem Jahr an Krebs, während sie normalerweise zwei bis drei Jahre alt werden. Handschlag zwischen Molekülen: Vier p53-Moleküle (in orange und grün) treten miteinander in Wechselwirkung; die Kontaktstellen sind türkis hervorgehoben. (Quelle: RCSB Protein Data Bank) Fehlt p53 gar vollständig, so verenden die betroffenen Mäuse noch früher, aber an ganz anderen Arten von Krebs. „Die zellschützenden und zelltötenden Funktionen von p53 bewahren dessen Träger vor unterschiedlichen Krebsformen“, fasst Stiewe zusammen. „Ein vollkommener lebenslanger Schutz ist nur dann garantiert, wenn alle Funktionen intakt sind.“ Offenbar gebe es keine pauschale Möglichkeit, Krebs zu bekämpfen, schlussfolgert Studienleiter Stiewe aus den Ergebnissen der Experimente. "Selbst die Natur nutzt unterschiedliche Wege, um diese Erkrankung zu verhindern." Den gegenwärtigen Trend zu einer "personalisierten Medizin" – einer an den jeweiligen Patienten und deren individuellem Krankheitsbild angepassten Therapie – hält der Krebsforscher daher für vielversprechend. "Die Natur macht es nicht anders." Originalpublikation: p53 DNA binding cooperativity is essential for apoptosis and tumor suppression in vivo Oleg Timofeev et al.; Cell Reports, DOI: 10.1016/j.celrep.2013.04.008; 2013