Die Debatte um eine Frauenquote wurde nicht nur im Bundestag geführt. Hier scheiterte jüngst der Antrag von SPD und Linken, eine Frauenquote von 20 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ab 2018 zu etablieren. Auch in der Medizin wird das Thema Gleichberechtigung heiß diskutiert.
Die Initiative „Pro Quote“ macht sich für Ärztinnen stark und fordert in einem offenen Brief vom 01.03.2013 wörtlich: „…, dass Führungspositionen in Universitätskliniken und Krankenhäusern und in allen Gremien der Universitäten und der ärztlichen Selbstverwaltung im Laufe der nächsten fünf Jahre zu 40 %, bis 2023 zu 50 % mit Frauen besetzt werden – und zwar auf allen Hierarchiestufen.“ Diese Forderung erscheint bei der Anzahl an Medizinstudentinnen –und absolventinnen im Vergleich zu der Besetzung in Führungspositionen der Krankenhäuser berechtigt. So spricht dieser Artikel davon, dass Frauen insgesamt 70 Prozent der Studierenden der Medizin ausmachen. Weiter seien nur 44 Prozent der Ärztinnen berufstätig, 26 % besetzten Führungspositionen und nur 5 % schafften es in das Ordinariat einer Hochschule.
Trotzdem glaubt Martin L.* (Assistenzarzt), dass eine Quote nichts bringe: „Es sollten vor allem Qualifikationen über den Aufstieg entscheiden, nicht irgendeine fiktive Zahl.“ Insbesondere in Zeiten des relativen Ärztemangels muss der Berufseinstieg attraktiv gemacht und somit zwingend auch ein Karriereanreiz geschaffen werden. Dr. Regine Rapp-Engel, Präsidentin des Ärztinnenbundes, bezeichnete auf der Podiumsdiskussion „Frauen in der Medizin“ des diesjährigen Internistenkongresses in Wiesbaden den derzeitigen Ärztemangel als große Chance für junge Kolleginnen, die eigene Karriereplanung voranzutreiben und rät ihnen: „Stellen Sie Forderungen, wenn Sie an eine Klinik gehen! Damit bringen Sie die Klinikchefs in Zugzwang.“ An einigen Kliniken werden bereits Anreize geschaffen – zum Beispiel gelten neue Verträge für die gesamte Weiterbildungszeit und ein Jahr Elternzeit wird fest eingeplant. Um Absolventinnen bei der Karriereplanung und in ihrem Verhandlungsgeschick zu unterstützen, haben sich einige Mentoring-Programme etabliert. Absolventinnen sollen hierbei geschult werden, ihr persönliches Potenzial optimal zu nutzen und somit langfristig den Anteil an Frauen in Führungspositionen zu erhöhen.
Die Diskriminierung von Ärztinnen im Beruf zeigt sich nicht nur an der Stellenbesetzung, sondern auch an deren Vergütung. In einer Absolventenbefragung untersuchte man an der Universität Freiburg die Gründe für einen niedrigeren Verdienst von Ärztinnen gegenüber deren männlichen Kollegen. Es zeigte sich, dass beide Geschlechter in ihren Leistungen, erbrachten Arbeitszeiten und früheren beruflichen Erfahrungen vergleichbar waren, aber Männer besser vergütet wurden (inkl. Bezahlung zusätzlicher Dienste). Als mögliche Gründe hierfür sieht man ein größeres Interesse der Männer am Gehalt und die damit einhergehende fordernde Haltung bei Gehaltsverhandlungen. „Wir brauchen die Quote in der Medizin, da wir es uns nicht leisten können, das Talent eines Großteils begabter Frauen nicht zu nutzen“, so Prof. Ellen I. Closs von der Universitätsmedizin der Mainzer Johannes Gutenberg-University. Wie einleitend bereits festgestellt, ist diese Quotendiskussion eine, die in der gesamten heutigen Berufswelt geführt wird. Vor dem Hintergrund des fehlenden Frauenanteils im Führungsstab privatwirtschaftlicher Unternehmen - bei gleicher Absolventenzahl und Qualifikation der Geschlechter - beauftragte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Sinus-Institut, eine repräsentative Befragung von Führungskräften dieser Unternehmen zu deren Einstellungen gegenüber Frauen in Führungspositionen durchzuführen.
Dabei stellte sich heraus, dass Männer und Frauen in Führungspositionen eine Beteiligung beider Geschlechter an Top-Management-Posten für die ökonomische Gegenwart und Zukunft des Unternehmens als dringend notwendig einschätzten. Dass dieses Ziel ohne politische, gesetzliche, betriebliche und kommunikative Veränderungen von alleine stattfinden werde, bezweifelten die Befragten aber. Zwar bedauerten die befragten Männer den geringen Anteil an Frauen in Führungspositionen und schätzten deren Kompetenzen, diese „gender-political-correctness“ trage laut Studie aber nicht zu der vermehrten Einstellung von Frauen bei. Die so genannte „gläserne Decke“ werde durch rigide Mentalitätsmuster und verwobene Vorbehalte gegenüber Frauen (z. T. unbewusst) als unsichtbares Bollwerk erhalten. Abschließend kommen die Autoren der Studie zu folgender Konklusion: Eine ambitionierte Frau habe zwei, sehr unterschiedliche Möglichkeiten, die Karrieresprünge zu wagen.
Sicher kann man die Ergebnisse dieser Studie nicht eins zu eins auf einen Krankenhausbetrieb oder eine universitäre Einrichtung übertragen. Dennoch besetzen auch hier überwiegend Männer unterschiedlichen Alters und verschiedener Mentalitätstypen die Führungspositionen. Und ohne Zweifel existieren auch im Unternehmen Krankenhaus bestimmte sichtbare und „unsichtbare“ Strukturen, die ein Umdenken erschweren können.
Dies vermutet auch Klara M.* (Assistenzärztin): „Ich habe in meiner Abteilung zwar keine Diskriminierung des weiblichen Geschlechts feststellen können, im Gegenteil, aber ich glaube, dass im Großen und Ganzen an Krankenhäusern ein sehr festes Hierarchiemuster besteht, das Männer bevorzugt.“ In der Diskussion um gleichberechtigte Aufstiegschancen werden immer wieder strukturelle Probleme, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, als Karrierebremse für Frauen vorgebracht. Sicher sind flexible Arbeitszeiten, Teilzeitstellen etc. hierbei ein wichtiges Thema. Dieses wird in der sich verändernden Gesellschaftsstruktur aber auch zunehmend Männer betreffen und wird somit kein alleiniges „Frauenthema“ bleiben. Ob also eine festgeschriebene Frauenquote die alleinige Lösung des offensichtlich bestehenden Problems werden kann, bleibt zu hinterfragen. Es müssen mächtige und über Jahrzehnte entstandene „Bollwerke“ an Denk- und Verhaltensmustern aufgeweicht und korrigiert werden, entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, sowie politisch und gesellschaftlich gestärkt werden. Was denkt Ihr? Braucht die Medizin eine Quote?
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