Mit Neurostimulanzien verbessern Schachspieler ihre kognitive Leistung, berichten Pharmakologen aus Mainz. Gleichzeitig warnen sie davor, leistungssteigernde Substanzen einzunehmen. Denn unter Zeitdruck versagen die Wunderpillen ohnehin kläglich.
Pharmakologen wagten ein Experiment: Sie wollten wissen, welche Effekte verschiedene Stimulanzien auf die Konzentration haben. Bislang halfen beim „Königsspiel“ Schach vor allem Schlaf, Ernährung und Bewegung. Doch wie sieht es mit Molekülen aus, die bekannterweise als Neuroenhancer wirken? Dieser Frage ging ein Forscherteam der Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, nach.
Prof. Lieb und Prof. Franke verglichen die Auswirkungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel, nämlich Methylphenidat oder Modafinil, mit frei erhältlichem Coffein. Für eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie rekrutierten sie 39 Schachspieler. Ihre Probanden erhielten an vier verschiedenen Tagen zweimal 200 mg Modafinil, zweimal 20 mg Methylphenidat, zweimal 200 mg Coffein oder Placebos. Gewechselt wurde anhand eines Crossover-Designs. Nach der Medikation spielten die Teilnehmer gegen ein an ihre Stärke angepasstes, kommerziell erhältliches Schachprogramm.
Die Ergebnisse überraschen: Unter Methylphenidat, Modafinil oder Coffein benötigten Spieler mehr Zeit, um nachzudenken und ihre nächsten Züge geistig vorzubereiten. Als Vergleich dienten Placebo-Pillen. Insgesamt untersuchten Forscher 3.059 Schachpartien unter Stimulantien-Gabe. Schachspiel-Leistungen wurden mit Methylphenidat und Modafinil nur verbessert, falls die Spieler nicht unter Zeitdruck standen beziehungsweise sich ihre Zeit selbst einteilen konnten. „Die Ergebnisse zeigen erstmals, dass auch hochkomplexe kognitive Fähigkeiten, wie sie beim Schachspiel nötig sind, durch Stimulantien verbessert werden können. Offenbar sind die Probanden unter Stimulantieneinfluss eher in der Lage, Entscheidungsprozesse vertieft zu reflektieren“, sagt Studienleiter Andreas Franke. „Wir haben damit erste Hinweise, dass Doping im Schachsport durch die Stimulantien Methylphenidat und Modafinil möglich ist“, ergänzt Lieb. Ihre Studienergebnisse müssten von anderen Arbeitsgruppen bestätigt werden, bevor Aussagen über das Doping-Potential möglich seien. Wegen der Risiken und Nebenwirkungen warnen beide Autoren vor der Einnahme.