Ein internationales Forscherteam ging der Frage auf den Grund, ob „Bedsharing“ mit einem erhöhten SIDS-Risiko verbunden ist und wie sich zudem zusätzliche Risikofaktoren auswirken.
Trotz des markanten Rückgangs beim plötzlichen Kindstod (Sudden Infant Death Syndrom: SIDS), was vor allem auf das Schlafen legen auf dem Rücken zurückzuführen ist, bleibt SIDS in den einkommensstarken Industrieländern die häufigste Todesursache bei Säuglingen zwischen der fünften Lebenswoche und einem Jahr. So starben 2008 in den USA 2.353 Babys an SIDS, was einer Sterberate von 0,6 pro 1.000 Lebendgeburten entspricht. In Deutschland starben laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2010 immer noch 164 Kinder an SIDS (0,2/1.000).
Die Forscher aus Großbritannien, Irland, Neuseeland, Schottland und Deutschland (Universität Münster) unter der Leitung von Prof. Robert Carpenter von der London School of Hygiene & Tropical Medicine haben für ihre Arbeit Daten aus fünf europäischen Fall-Kontrollstudien miteinander verglichen. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler 1.472 SIDS-Fälle und 4.679 Kontrollfälle, die innerhalb des ersten Lebensjahres auftraten. Die internationale Studie „Bed sharing when parents do not smoke: is there a risk of SIDS?“ wurde kürzlich im „British Medical Journal“ veröffentlicht. Die wichtigsten Ergebnisse: Von den 1.472 Säuglingen, die einem plötzlichen Kindstod erlagen, schliefen 22,2 Prozent (323) mit den Eltern im selben Bett, bei der Kontrollgruppe waren es nur 9,6 Prozent. Die statistische Wahrscheinlichkeit, am plötzlichen Kindstod zu sterben, lag bei Babys, die mit den Eltern im selben Bett schliefen, bei 2,7 und zwar über alle Altersgruppen hinweg. Babys, die gestillt und in Rückenlage im Schlafzimmer der Eltern – die weder Alkohol oder Drogen konsumierten und Nichtraucher waren - schlafen gelegt wurden, hatten eine statistische Sterbewahrscheinlichkeit von 0,08/1.000 Lebendgeburten. Schliefen die Babys hingegen im Bett der Eltern und blieben alle anderen Risikofaktoren unverändert, erhöhte sich die Sterbewahrscheinlichkeit auf 0,23/1.000. Unter den Babys, die jünger als drei Monate waren, stieg die SIDS-Wahrscheinlichkeit sogar um den Faktor 5,1. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Sterberisiko für Kinder, die mit den Eltern im selben Bett schlafen mit steigendem Alter abnimmt, während Eltern, die Raucher sind und Drogen konsumieren, das Risiko, das durch Schlafen im gemeinsamen Bett entsteht, noch zusätzlich erhöhen“, fasst Carpenter die Studienergebnisse zusammen. So hatten zwei Wochen alte Säuglinge, die mit ihren Raucher-Eltern im gemeinsamen Bett schliefen, ein um den Faktor 65 erhöhtes SIDS-Risiko im Vergleich zu gleichaltrigen Säuglingen von Nichtraucher-Eltern, die im selben Zimmer aber in getrennten Betten übernachteten. Bei zehn Wochen alten Säuglingen sank im Bett der rauchenden Eltern das SIDS-Risiko auf den Faktor 28, bei 20-Wochen-Babys auf den Faktor 9,7. „Wenn rauchende Eltern nicht mit ihren Kindern im gemeinsamen Bett schliefen, war das SIDS-Risiko vergleichsweise gering“, analysiert Carpenter. Wie fatal sich die Kombination mehrerer Risikofaktoren auf das SIDS-Risiko auswirken kann, zeigten die Forscher anhand eines drastischen Beispiels: Demnach haben 2,25 kg leichte Säuglinge, die im Bett der Eltern schlafen und von 18-jährigen rauchenden und Alkohol konsumierenden Müttern mit dem Fläschchen ernährt werden - deren Partner ebenfalls rauchen - eine statistische SIDS-Wahrscheinlichkeit von 125/1.000.
„Unsere Modelle zeigen, dass 88 Prozent der Todesfälle, die beim Schlafen im gemeinsamen Bett aufgetreten sind mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht passiert wären, wenn die Babys in einem separaten Kinderbett in Rückenlage im gemeinsamen Schlafzimmer niedergelegt worden wären“, so die Studienautoren. Sogar bei den unter drei Monate alten Säuglingen, die gestillt wurden, wären 81 Prozent der Todesfälle vermeidbar gewesen, rechnen die Wissenschaftler anhand ihrer Modelle vor. Man müsse sich daher schon fragen, ob es das Risiko wert ist, ein Baby zu verlieren, wenn sich dies so leicht vermeiden lasse. Da als eines der wichtigsten Argumente für das gemeinsame Schlafen im Bett Eltern das häufigere und längere Stillen gilt, empfehlen die Studienautoren: „Um maximale Sicherheit für das Baby und optimale Voraussetzungen für das Stillen zu schaffen, raten wir Müttern ihre Säuglinge innerhalb der ersten drei Monate während der Nacht zu stillen, aber anschließend wieder in Rückenlage im separaten Babybett im gemeinsamen Schlafzimmer niederzulegen.“
Die BZga rät, Babys im ersten Lebensjahr beim Einschlafen grundsätzlich auf den Rücken zu legen. Laut Ansicht der BTgA-Experten ist ein Schlafsack gegenüber Decken zu bevorzugen, damit der Kopf des Säuglings durch nichts bedeckt wird, was einen Atemrückstau oder Überwärmung verursachen kann. Außerdem raten die Experten das Babybett im gemeinsamen Elternschlafzimmer aufzustellen, weil sich die regelmäßigen Atemgeräusche der Eltern positiv auf die Atemregulation des Babys auswirken. Das Babybett sollte „spartanisch“ ohne Kopfkissen, Fellunterlage und weiche Umpolsterung, dafür aber mit einer festen luftdurchlässigen Matratze ausgestattet sein. Die ideale Raumtemperatur liege bei 16 bis 18 Grad Celsius. Die Eltern sollten zumindest im ersten Lebensjahr für eine rauchfreie Umgebung sorgen. Darüber hinaus empfiehlt die BZgA, Babys mindestens sechs Monate lang zu stillen, weil regelmäßig gestillte Kinder während der Nacht häufiger und leichter aufwachen, was die Gefahr eines Atemstillstandes reduziere. Weiterhin raten die BzgA-Experten den Eltern rechtzeitig einen Kinderarzt zu konsultieren, wenn das Baby häufig schwitzt oder auffallend blass ist, wenn Atempausen von über 15 Sekunden im Schlaf beobachtet werden, wenn es sich schwer wecken lässt oder sich das Baby häufig verschluckt, erbricht oder Probleme beim Trinken hat. Bereits im Februar berichtete DocCheck über SIDS und die wichtigsten Erklärungsmodelle wie Zwerchfell- und Triple-Hypothese, die zum Plötzlichen Kindstod führen können.