Physiologen haben wünschenswerte Effekte von Nikotin bei Schizophrenie entdeckt. „Es kompensiert eine genetisch bedingte Beeinträchtigung“, heißt es in der Studie. Die Ergebnisse basieren bisher auf Untersuchungen an Mäusen.
Schon lange wissen Neurologen, dass es bei Menschen mit Schizophrenie zur Hypofrontalität kommt. Das heißt, ihr Frontallappen als Sitz des Arbeitsgedächtnisses lässt sich nicht ausreichend aktivieren. Das Phänomen erklärt, warum Patienten teilweise Probleme haben, eine Aufgabenstellung mit gezielter Planung zu lösen. Defizite bei der Aufmerksamkeit, bei der Erinnerung an Dinge, bei Entscheidungen und beim Verstehen verbaler Erklärungen kommen mit hinzu.
Uwe Maskos vom Institut Pasteur, Neurobiologie Intégrative des Systèmes Cholinergiques aus Paris setzt mit seinen Experimenten genau hier an. „Mit unserer Studie liefern wir den Beweis, dass eine bestimmte genetische Variante zum Schizophrenie-Risiko mit beitragen kann“, sagt Jerry Stitzel, einer der Autoren. Sie untersuchten transgene Mäuse, die aufgrund einer Mutation als Modell für Hypofrontalität dienen. Ihre Nager tugen einen speziellen Einzelnukleotid-Polymorphismus (SNP) im CHRNA5-Gen. CHRNA5 codiert wiederum für einen Nikotinrezeptor. Neben bildgebenden Verfahren setzte das Team auf einen einfachen Verhaltenstest. Gesunde Mäuse reagieren fremden Tieren gegenüber mit Neugier. Hatten Nager die Genvariante, zogen sie sich lieber in einen leeren Bereich ihres Käfigs zurück. Erhielten Mäuse täglich Nikotin, nahm ihre Hirnaktivität innerhalb von zwei Tagen zu. Innerhalb einer Woche hatte es sich sogar normalisiert, was sich auch beim Verhaltenstest zeigte. „Im Grunde genommen kompensiert das Nikotin eine genetisch bedingte Beeinträchtigung“, sagt Stitzel. „Das hat niemand zuvor gezeigt.“
Ob ihre Studie tatsächlich erklärt, warum viele Menschen mit Schizophrenie qualmen, bleibt fraglich. Forscher spekulieren, Nikotin aus dem Tabakrauch könnte bei diesen Personen die Hirnaktivität erhöhen – quasi eine Behandlung in Eigenregie. Weil Hypofrontalität auch mit Sucht und anderen psychiatrischen Bedingungen assoziiert ist, könnte die Forschung Relevanz für neue Arzneimittel haben, hoffen die Forscher. Ein geeignetes Molekül müsste genauso funktionieren wie Nikotin, aber ohne dessen schädliche Wirkungen, sprich Abhängigkeit, Zellalterung oder eine erhöhte Herzfrequenz. Jetzt machen sich Labors an die Arbeit, um einen geeigneten Arzneistoff zu entwickeln.