Infektionen mit Legionellen und dem Influenza-Virus führen nicht selten zum Tod. Da man die Gründe dafür bisher nicht vollkommen versteht, ist eine Behandlung schwierig. Forscher machten eine Entdeckung, die die Therapie von grippebedingten bakteriellen Infektionen verändern könnte.
Für 250.000 bis 500.000 Menschen jährlich endet die Infektion mit dem Influenza-Virus - die Grippe - tödlich. Daran ist jedoch selten das Virus alleine schuld, sondern häufig die damit einhergehenden bakteriellen Infekte. Das Influenza-Virus befällt hauptsächlich die oberen Atemwege wie Nase, Rachen und Bronchien. Die Lunge ist nur selten davon betroffen. Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass rund fünf bis 15 Prozent der Grippepatienten auch an Erkrankungen der oberen Atemwege leiden.
Das Bakterium Legionella pneumophila kommt weltweit in Erde und Gewässern vor. Es ist Auslöser der Legionärskrankheit (Legionellose). Unter normalen Umständen verhindert das menschliche Immunsystem, dass sich die Bakterienart Legionella pneumophila im Körper vermehrt und ausbreitet. Bei einer Erkrankung mit dem Influenzavirus ist der Mensch für bakterielle Infekte besonders anfällig. Dann kann Legionella jedoch eine Lungenentzündung hervorrufen. Bei Nichtbehandlung kann die Lunge permanent geschädigt werden, und die Erkrankung kann sogar zum Tode führen. Amanda Jamieson, Hauptautorin einer aktuellen Science-Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Mikrobiologie, Immunbiologie und Genetik der Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien, untersuchte den Zusammenhang zwischen Influenza Viren und Legionella pneumophila an Mäusen. "Wenn wir unser Modellsystem gleichzeitig mit dem Influenzavirus und Legionella infizierten, führte dies zum Tode. Wir alle hatten erwartet, dass dies daran liegt, dass sich die Bakterien wie verrückt vermehren und ausbreiten. Dies war aber nicht der Fall, die Bakterienzahl blieb gleich, das war eine wirkliche Überraschung", so Amanda Jamieson. Warum das so ist, kann die Wissenschaftlerin bisher nicht erklären. „Das Influenza-Virus scheint die menschliche Immunabwehr gegen Legionella pneumophila nicht zu unterdrücken“, so Jamieson. Das sei hingegen bei anderen Bakterienarten wie Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Streptococcus pyogenes und Staphylococcus aureus durchaus der Fall.
Genexpressionsstudien verdeutlichten, dass die Lymphozyten gesteuerte Immunabwehr keine Rolle bei der tödlich verlaufenden Coinfektion spielt. Dazu schalteten die Wissenschaftler nach und nach alle Hauptstoffwechselwege der Immunabwehr und von Entzündungsvorgängen aus, die entweder durch die Viren oder die Bakterien angekurbelt werden. Der tödliche Ausgang der beiden Infektionen schien keinem dieser Vorgänge geschuldet zu sein. Unterstützung der Wundheilung fördert Behandlung bakterieller Infekte während einer Grippe. Stattdessen konnten Amanda Jamieson und ihr Forscherteam nachweisen, dass die Schädigungen am Lungengewebe bei einer gleichzeitigen Infektion mit dem Grippevirus und Legionella nicht richtig repariert werden. In der bronchoalveolären Lavage von coinfizierten Mäusen fanden die Wissenschaftler große Mengen roter Blutzellen und Albumin. Dies führten sie auf eine Schädigung der Lungenepithel-Kapillaren zurück. Auch histologische Untersuchungen bestätigten diese Vermutung. „Eine starke Schädigung des respiratorischen Epithels und der daraus resultierende Kollaps der Lungenbläschen führen letztendlich zum tödlichen Ausgang der Coinfektion“, fasst Jamieson zusammen. Schuld daran sei das Influenzavirus, das die Reparaturmechanismen des Körpers unterdrückt. Im Falle einer zusätzlichen Legionella-Infektion kann dies zu einer tödlich verlaufenden Lungenentzündung führen.
Verabreichten die Forscher jedoch eine Substanz namens Amphiregulin (AREG) zur Stärkung körpereigener Reparaturmechanismen, waren tödlich verlaufende Infektionen viel seltener. AREG gehört zu Familie der Epithel-Wachstumsfaktoren und war erst im Jahr 2011 als wichtiger Bestandteil bei der Geweberegenration in der Lunge während einer Influenzainfektion entdeckt worden. „Wir machen Grundlagenforschung“, erklärt Jamieson, wie weit ihre Erkenntnisse noch von einer Anwendung im Menschen entfernt sind. Sie bieten jedoch eine solide Grundlage für neue Therapieansätze zur Behandlung bakterieller Infekte während einer Grippeerkrankung. Amanda Jamieson, die im Sommer eine Professur an der Brown Universität, USA, aufnehmen wird, sagt: "Meine Forschung wird sich auch in Zukunft darauf konzentrieren, die Reparatur von Körpergeweben in Modellsystemen zu studieren und neue Behandlungsmöglichkeiten für bakteriellen Infektionen, bei denen gleichzeitig Grippeviren auftreten, zu entwickeln.“