Spezielle Mikroskopie macht es möglich: Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover und der Vrije Universiteit Amsterdam haben die mechanischen Eigenschaften verschiedener Herpesvirus-Kapside enthüllt - Kapseln, die das Erbgut von Viren umgeben und schützen.
Die aus infizierten Zellkernen isolierten Herpesvirus-Kapside haben einen Durchmesser von nur 125 Nanometer; das entspricht in etwa einem zehntausendstel Millimeter. Die Struktur und die Oberflächenbeschaffenheit einzelner Partikel können daher nur mit Mikroskopen untersucht werden, deren Auflösungsvermögen höher ist als das von Lichtmikroskopen. Bei der hier verwendeten Rasterkraftmikroskopie, der sogenannten Atomic Force Microscopy, wird die Oberfläche solcher winzigen Strukturen abgebildet, indem sie mit einem Sensor, ähnlich der Nadel eines Plattenspielers, systematisch abgetastet wird. Aus diesen Daten können die Wissenschaftler, konkret Dr. Kerstin Radtke und Professorin Dr. Beate Sodeik vom Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover zusammen mit Forschern der Vrije Universiteit Amsterdam, ein detailliertes topographisches Relief kleinster, einzelner viraler Strukturen gewinnen. Darüber hinaus ist es möglich, mit dem Sensor auf die Teilchen zu drücken oder sie sogar einzudrücken - und so ihre Elastizität und ihre Stabilität zu messen. Diese Messungen sind unter physiologischen Bedingungen in Flüssigkeit möglich, so dass die Verhältnisse in lebenden Zellen simuliert werden können.
Mit diesem Mikroskop erlangten die Wissenschaftler erstmals Einblicke in die mechanischen Eigenschaften humaner Herpesviren. Durch Eindrücken einzelner Kapside und die Messung der dazu benötigten Kräfte bestimmten sie ihre Stabilität. Sie entdeckten, dass die Kapside reifen und dabei nach und nach stabiler werden und, dass sie die zwölf Ecken der Kapsel vermutlich verstärkt sind. Die Aufklärung dieser viralen Stabilisierungsmechanismen eröffnet neue Möglichkeiten im Kampf gegen Herpesvirusinfektionen. Darüber hinaus könnten solche viralen Kapsidschalen als "Container" verwendet werden, mit deren Hilfe sich Medikamente oder genetisches Material an ihren Bestimmungsort transportieren ließen.
Die Ergebnisse hat jetzt die renommierten Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences USA" in ihrer Online-Ausgabe veröffentlicht.