Stress führt in vielen Fällen irgendwann zu Herz-Kreislauf-Problemen. Einer der Gründe sind vermutlich Entzündungsreaktionen an oder in den Gefäßen. Eine aktuelle Kohortenstudie zeigte nun, dass die Amygdala bei diesen Vorgängen eine wichtige Rolle spielen könnte.
Die Höhe des metabolischen Grundumsatzes bestimmt womöglich das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung als direkte Folge von emotionalem Stress. Für ihre Studie nutzten die Kardiologen von der Harvard Medical School Daten von Probanden, welche zwischen 2005 und 2008 ein PET/CT am Klinikum erhalten hatten. Die Teilnehmer waren zum damaligen Zeitpunkt älter als 30 Jahre (mittleres Alter: 55 Jahre) und durften zu Studienbeginn weder wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch Tumoren in Behandlung gewesen sein.
Aus Tiermodellen ist bereits hinreichend bekannt, dass kardiovaskuläre Ereignisse oft ihren Ausgang in starken Entzündungsreaktionen nehmen. „Akuter und auch chronischer Stress können Entzündungen hervorrufen, die beispielsweise im Tierversuch zu messbaren Veränderungen der Arterien bis hin zur Arteriosklerose führten“, diskutierte Dr. Liza Bot vom Academic Center for Drug Research in Leiden (Niederlande) die Studie im Rahmen eines Podcasts von The Lancet. Der Mechanismus hinter diesen Vorgängen ist jedoch bisher unbekannt. „Allerdings ist bekannt, dass die Amygdala eine Region im Gehirn darstellt, die sehr stark mit Stress assoziiert ist. Die metabolische Aktivität der Amygdala ist somit ein guter Indikator für den persönlichen Stresslevel eines Individuums“, so Dr. Bot weiter. Wie aber führt dieser Stress letztenendes zu kardiovaskulären Erkrankungen?
Um diese Frage beantworten zu können, erhoben die US-Forscher mithilfe validierter Verfahren Daten zur Aktivität der Amygdala und des Knochenmarks sowie zu arteriellen Entzündungsreaktionen. Des weiteren bestimmten sie die Qualität des erfahrenen Stresses sowie die Menge an C-reaktivem Protein (CPR). Insgesamt werteten die Wissenschaftler Daten von 293 Personen aus. Von diesen entwickelten 22 (= 7,5 %) innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 3,7 Jahren eine kardiovaskuläre Erkrankung. Es bestätigte sich, dass die metabolische Aktivität der Amygdala infolge von Stress anstieg. Gleichzeitg nahmen aber auch die Aktivität des Knochenmarkes sowie die Häufigkeit messbarer Entzündungsreaktionen innerhalb der Arterien zu. Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen lag bei gesteigerter Amygdala-Aktivität um fast 60 % höher (HR = 1,59; 95% KI 1,27–1,98; p<0·0001) als normal.
Der Zusammenhang zwischen Amygdala und kardiovaskulären Ereignissen scheint sich diesen Ergebnissen zufolge auf der Aktivität im Knochenmark und der arteriellen Entzündung zu gründen. Auslöser für die gesamte Ereigniskette bleibt dagegen der Stress. Er ist es, der die metabolische Aktivität der Amygdala ansteigen lässt und Stress ist es auch, was schließlich die systemweiten Entzündungen hervorruft – messbar in Form von arteriellen Entzündungsreaktionen und höheren CRP-Werten. Originalpublikationen: Relation between resting amygdalar activity and cardiovascular events: a longitudinal and cohort study Tawakol A et al., The Lancet; doi: 10.1016/S0140-6736(16)31714-7 Podcast: thelancet.com/pb-assets/Lancet/stories/audio/lancet/2017/12january.mp3