Lieder, die im nüchternen Zustand keinerlei persönliche Bedeutung haben, können unter dem Einfluss von LSD plötzlich als sehr relevante Musikstücke wahrgenommen werden. Pharmakologen können dieses Phänomen nun erklären.
Nicht nur die Wahrnehmung der Umgebung verändert sich bei Menschen, die LSD einnehmen. Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen messen bestimmten Dingen wie beispielsweise Musikstücken auch unterschiedliche Bedeutung zu, je nachdem, ob sie nüchtern sind oder Drogen konsumiert haben. Wie diese sogenannte persönliche Relevanz im Gehirn entsteht und welche neuropharmakologischen Mechanismen ihr zugrunde liegen, war bisher nicht bekannt.
Ein Forscherteam der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich zeigt nun, dass LSD diesen Prozess durch die Stimulation des Serotonin 2A-Rezeptors, einem der 14 verschieden Serotonin-Rezeptoren im Gehirn, beeinflusst. Studienteilnehmer mussten vor Studienbeginn 30 Musikstücke als persönlich wichtig und bedeutend oder als persönlich unbedeutend kategorisieren. Im anschliessenden Versuch veränderte LSD gegenüber einem Scheinmedikament die Bedeutungszuschreibung: „Vorher als unbedeutend klassifizierte Musikstücke wurden unter LSD plötzlich zu persönlich bedeutenden Musikstücken“, erklärt Katrin Preller, die zusammen mit Prof. Franz Vollenweider und dem Forschungsteam Neuropsychopharmakologie und Brain Imaging die Studie durchführte.
Zu solch überhöhten oder übertriebenen Bedeutungszuschreibungen auf Erlebnisse und Umweltreize kommt es bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen. Ein kohärentes Selbst dagegen hängt von einem funktionierenden Netzwerk von sogenannten kortikalen Mittelhirnstrukturen ab, wie neuere Studien zeigen. Bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen ist demnach dieses Netzwerk gestört. „LSD scheint nun genau auf dieses Netzwerk einzuwirken und das Bedeutungserleben zu beeinflussen“, sagt Katrin Preller. Die Wissenschaftler konnten auch mithilfe funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) zeigen, dass Studienteilnehmer nach der Einnahme von LSD vorher nicht relevanten Reizen mehr Bedeutung zumaßen. Wurde hingegen vor der Einnahme von LSD der Serotonin 2A-Rezeptor pharmakologisch blockiert, wurden auch alle weiteren durch LSD ausgelösten psychischen Veränderungen normalisiert. „Dies war sehr überraschend, denn aus Studien mit Tieren ging hervor, dass LSD auch weitere Rezeptoren wie das Dopamin D2-System stimuliert“, sagt Preller. Von diesem nahm man bisher an, dass es für die durch LSD ausgelöste Euphorie verantwortlich sein dürfte. Ebenso ging man davon aus, dass verschiedene Rezeptorsysteme an der Entstehung von Bedeutungserleben beteiligt sind. Die Ergebnisse der aktuellen Studie weisen aber deutlich auf die Schlüsselrolle des Serotonin 2A-Rezeptors hin – sowohl für das subjektive Erleben unter LSD, wie auch für die mittels fMRT objektivierten Veränderungen der Hirnaktivität.
Diese Beobachtung gibt Aufschluss, wie LSD neuropharmakologisch im Gehirn wirkt und insbesondere, wie die Pharmakologie von Bedeutungswahrnehmung funktioniert. Während der Serotonin 2A-Rezeptor dafür zuständig zu sein scheint, neue Bedeutung zu generieren, könnte das Dopamin-System die Relevanz von Reizen regeln, die wir generell als wichtig erachten. Von diesen Ergebnissen können Patienten mit psychiatrischen Krankheiten profitieren, die durch veränderte Bedeutungswahrnehmung gekennzeichnet sind, wie Depressionen, Phobien und Abhängigkeitserkrankungen. Originalpublikation: The fabric of meaning and subjective effects in LSD-induced states depend on serotonin 2A receptor activation Katrin H. Preller et al.; Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2016.12.030; 2017