Die schädliche Anreicherung von Proteinablagerungen im Gehirn ist ein zentraler Mechanismus der Alzheimer-Erkrankung. Nun stellt sich heraus: Binden sich auch noch Phosphatgruppen an diese Proteine, wird es für die Mikroglia noch schwieriger, mit dem "Proteinmüll" fertig zu werden.
"Etliche Jahre bevor sich die ersten Alzheimer-Symptome bemerkbar machen, bilden sich im Gehirn bereits Plaques aus fehlerhaft gefalteten Beta-Amyloid-Peptiden", sagt Prof. Dr. Jochen Walter von der Klinik für Neurologie des Bonner Universitätsklinikums. "Diese Ablagerungen beeinträchtigen die Funktion der Nervenzellen im Gehirn."
Mikrogliazellen fressen die schädlichen Ablagerungen auf
Die Wissenschaftler von der Uniklinik für Neurologie und vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn untersuchten Mikrogliazellen der Maus. Diese Zellen übernehmen wichtige Funktionen bei der Beseitigung von schädlichen Molekülen im Gehirn. "Lagern sich im Gehirn von Alzheimer-Erkrankten die Beta-Amyloid-Peptide ab, werden die Mikrogliazellen aktiviert und fressen einen Teil der Ablagerungen wieder auf", berichtet Prof. Walter.
Wie effektiv die Mikrogliazellen im Gehirn die schädlichen Beta-Amyloid-Peptide beseitigen, hängt davon ab, ob an diese zuvor Phosphatgruppen gebunden wurden. "Dann wird ein insulinabbauendes Enzyms blockiert, das für die Aktivität der Mikrogliazellen von großer Bedeutung ist", sagt der Bonner Wissenschaftler. "Im Ergebnis sind Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe also viel schwerer verdaulich als ohne." Das hat gleich eine zweifach schädliche Wirkung im Gehirn: Der Abbau der Beta-Amyloid-Peptide ist aufgrund der Phosphatgruppe deutlich reduziert, gleichzeitig verschlimmert das Phosphat auch noch deren Verklumpung. Beide Prozesse begünstigen somit die Bildung der Plaques.
Phosphatgruppe blockiert den Abbau der Plaques
Schon seit Längerem ist bekannt, dass das insulinabbauende Enzym auch die schädlichen Alzheimer-Peptide spaltet. "Das Neue ist, dass die Anknüpfung einer Phosphatgruppe diesen wichtigen Zersetzungsprozess blockiert", sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Sathish Kumar. "Wir können diese Effekte nun auf ein einziges Enzym zurückführen." Bei Alzheimer-Patienten verfügen etwa 20 bis 30 Prozent der Peptide über eine Phosphatgruppe und sind damit im Gehirn schlechter zu beseitigen.
Die Wissenschaftler hoffen nun, dass sich aus diesen Erkenntnissen in Zukunft neue Therapieansätze für Alzheimer-Patienten ergeben könnten. "Das ist aber noch ein sehr weiter Weg", sagt Prof. Walter. "Vielleicht ist es möglich, mit Antikörpern, die speziell an die Beta-Amyloid-Peptide mit Phosphatgruppe binden, die gefährlichen Peptide außer Gefecht zu setzen." Außerdem könnten diese Peptide mit Phosphatgruppe möglicherweise als Biomarker zum Nachweis der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium dienen. "Wenn sich viele Phosphatgruppen an den Peptiden befinden, wäre dies ein Zeichen für ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken", erläutern die Bonner Wissenschaftler.
Originalpublikation: Phosphorylation of the amyloid-beta peptide at serine 8 attenuates its clearance via insulin degrading and angiotensin converting enzymes Sathish Kumar et al.; Journal of Biological Chemistry, 287: 8641-8651; 2012