Forscher haben gezeigt, dass das Hepatitis C-Viren einen bestimmten Eiweißstoff der Wirtszelle nutzt: Dieses Schlüsselprotein ist für die Virusvermehrung essentiell.
Wie vermehren sich Hepatitis C-Viren in der infizierten Leberzelle? Und welche Angriffspunkte für neue Medikamente bieten sich hierbei? Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg haben gezeigt, dass das Virus einen bestimmten Eiweißstoff der Wirtszelle nutzt: Dieses Schlüsselprotein - das so genannte Enzym Phosphatidylinositol-4-Kinase-III-alpha (PI4KIIIa) - ist für die Virusvermehrung essentiell. Außerdem konnten die Wissenschaftler die molekularen Grundlagen dieses zentralen Mechanismus der Hepatitis C-Virusvermehrung aufklären.
Die Forscher um Dr. Volker Lohmann, Arbeitsgruppenleiter in der Abteilung Molekulare Virologie, und Professor Dr. Ralf Bartenschlager, Leitender Direktor der Abteilung, haben somit eine Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien geschaffen.
Behandlung oft erfolglos und mit starken Nebenwirkungen
Die WHO geht davon aus, dass weltweit etwa 170 Millionen Menschen an einer chronischen HCV-Infektion leiden. Die Erkrankung kann die Leber fortschreitend zerstören und sogar zu Krebs führen.
Die Übertragung der Hepatitis C-Viren erfolgt vorwiegend über Blut und Blutprodukte, jedoch ist der Infektionsweg bei rund 30 Prozent der Patienten unbekannt. Es gibt noch keine Impfung gegen Hepatitis C. Bisherige Therapien schlagen nur zu 50 Prozent an und haben zahlreiche Nebenwirkungen.
Ohne Wirts-Protein ist keine Virusvermehrung möglich
Dass das Enzym PI4KIIIa neben vielen anderen Faktoren bei der Virenvermehrung eine Rolle spielt, war bereits bekannt. Welche der beiden Eiweißformen alpha und beta dabei aber ausschlaggebend ist, und welcher molekulare Mechanismus im Detail abläuft, wusste man bisher nicht.
Die Wissenschaftler um Bartenschlager und Lohmann zeigten, dass die alpha-Form des Enzyms ein zentrales Element in der HCV-Vermehrung ist. Die Viren können sich ohne diesen Eiweißstoff nicht vermehren.
Doch wie nutzt das Virus das zelleigene Protein für seine Zwecke? Das Enzym PI4KIIIa sorgt in der Leberzelle für die Produktion eines Botenstoffs, das so genannte Phophatidylinositol-4-phosphat (PI4P). „Wir stellen uns folgendes Modell vor“, erklärt Dr. Volker Lohmann. „Das Virus rekrutiert das Enzym PI4KIIIa in der Leberzelle an die Stelle, wo die Virenvermehrung stattfindet, und aktiviert es dort. Das Enzym PI4KIIIa produziert daraufhin große Mengen des Botenstoffs PI4P, der für die Virusvermehrung unabdingbar ist.“
Enzym als mögliches Therapieziel
Die Zweckentfremdung des Enzyms bedeutet einen gravierenden Eingriff in den Stoffwechsel der Leberzelle. Auf diese Weise könnte HCV auch dazu beitragen, dass sich im Verlauf der Hepatitis C ein Leberzellkarzinom entwickelt, vermuten die Forscher.
Enzyme sind attraktive molekulare Ziele für neue Medikamente. So werden Arzneistoffe, die Enzyme spezifisch hemmen, bereits erfolgreich in der Krebstherapie eingesetzt. „Mit einem Medikament, das PI4KIIIa hemmt, wäre es vielleicht möglich, nicht nur die Virusvermehrung zu stoppen, sondern auch die Krebsentstehung in der Leber erfolgreich zu verhindern“, blickt Professor Dr. Ralf Bartenschlager in die Zukunft.
Originalpublikation: Recruitment and Activation of a Lipid Kinase by Hepatitis C Virus NS5A Is Essential for Integrity of the Membranous Replication Compartment Simon Reiss et al.; Cell Host & Microbe 9(1) 32-45 (2011)