In Deutschland ist die weibliche Genitalbeschneidung verboten. Trotzdem leben hierzulande bis zu 5.700 gefährdete Mädchen. Eltern umgehen das Gesetz, indem sie ihre Töchter andernorts einer Verstümmelung unterziehen. In diesem Fall droht der Staat jetzt mit Pass-Entzug.
Anlässlich des Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung hat das Bundesfrauenministerium eine Studie vorgestellt, die erstmals für Deutschland relevante Zahlen enthält. Demnach leben in Deutschland etwa 50.000 Frauen, die Opfer einer Genitalverstümmelung geworden sind. Schätzungen zufolgen sind außerdem zwischen 1.500 und 5.700 in Deutschland lebende Mädchen davon bedroht. Die Zahl der Betroffenen stieg von Ende 2014 bis Mitte 2016 um 30 Prozent. Ursächlich hierfür ist unter anderem die gestiegene Zuwanderung aus Ländern, in denen Genitalverstümmelung besonders verbreitet ist. Zu diesen Ländern zählen Eritrea, Irak, Somalia, Ägypten und Äthiopien. Weltweit sind rund 200 Millionen Frauen von einer Genitalverstümmelung betroffen, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich viel höher. Die weibliche Beschneidung (FGM = female genital mutilation) umfasst Eingriffe, die zur Änderung oder Schädigung des weiblichen Geschlechtsorgans führen und medizinisch nicht notwendig sind. Eingriffe im Rahmen der FGM schließen die partielle oder totale Entfernung der Klitoris sowie der inneren und äußeren Schamlippen und das Vernähen der Wundränder ein. Daneben zählen Variationen der Beschneidung, wie das Einschneiden, Ausbrennen, Ätzen und Ausschaben des Genitalbereiches zu den FGM. Der Eingriff wird meist in der frühen Kindheit durchgeführt, in vielen Ländern vor dem Ende des fünften Lebensjahres.
Der Prozess der Beschneidung hat keine gesundheitlichen Vorteile für Mädchen oder Frauen. Im Gegenteil, er hat schwerwiegende Folgen. Durch oft unhygienische Bedingungen und den Einsatz von unzulänglichen Werkzeugen ohne Narkose kommt es bei traditionellen Beschneidungen zu starken Blutverlusten und Schmerzen. Das Infektionsrisiko durch Keime ist hoch und die Übertragung von Krankheiten wie HIV ist wahrscheinlich. Im schlimmstem Fall kann das zum Tod führen. Laut WHO erliegen 10 Prozent der Frauen den akuten Konsequenzen des Eingriffs, während 25 Prozent aufgrund der langfristigen Folgen sterben. Eine schlechte Wundvernähung verursacht zudem starke Narbenbildung. Langfristig leiden die Frauen unter Schmerzen beim Urinieren und beim Geschlechtsverkehr. Es treten Komplikationen bei der monatlichen Blutung auf und das Gebären ist mit einem großen Risiko behaftet, das sowohl Mutter als auch Kind betrifft.
Durch die weibliche Beschneidung werden sowohl die Kinderrechte gemäß der Kinderrechtskonvention als auch die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Ärzte führen den Eingriff trotzdem oft durch, da sie der Auffassung sind, dass er medizinisch kontrolliert zumindest sicherer ist. Die WHO rät jedoch aufgrund der ethischen Vertretbarkeit davon ab. Auch unter besseren Bedingungen entstehen langfristige Schäden für das Mädchen oder die Frau.
In Deutschland ist die FGM verboten, daher kommt es vor, dass Eltern ihre Töchter in anderen Ländern einer Beschneidung unterziehen. Seit kurzem ist dies nach deutschem Recht auch strafbar (§§ 226a, 5 StGB), sodass Menschen, die mit ihrem Kind für die Beschneidung ins Ausland reisen wollen, der Pass abgenommen werden kann. Hilfe für von FGM Betroffene und Empfehlungen für den Umgang mit den Betroffenen findet man auf der Website des Desert Flower Center Waldfriede (DFC).