... dann hat sie ein Problem. Wir sagen Ihnen, warum bösartig veränderte Nierenzellen plötzlich anfangen zu fluoreszieren, warum das eine Hilfe für die Behandlung von Patienten mit Nierenkrebs ist und wie es den ersten 100 Patienten geht, die jetzt in Berlin unter Zuhilfenahme dieser Technik operiert wurden.
Es ist der Traum eines jeden Onkochirurgen: Ein einziger Blick auf das Organ genügt, und der Krebs gibt sich zu erkennen, klar abgegrenzt vom gesunden Gewebe, leuchtend rot wie ein organisches Warnlämpchen. Vor allem Urologen haben in den letzten Jahren gelernt, wie sie bösartige Tumoren zum Fluoreszieren bringen können. Beim Blasenkrebs wurde hier Pionierarbeit geleistet. Doch auch in der Neurochirurgie, beim Glioblastom, setzen manche auf die Tumorfluroeszenz. Seine eigentliche Stärke könnte das Verfahren künftig jedoch beim Nierenzellkarzinom ausspielen. Denn da geht es um nichts weniger als um die Rettung eines Organs.
Nieren-OP der Zukunft setzt auf Blinklicht statt Schnellschnitt
Das Nierenzellkarzinom gehört nicht zu den allerhäufigsten bösartigen Tumoren. In einer typischen deutschen Kleinstadt sind jährlich etwa zehn bis fünfzehn Menschen betroffen, Tendenz allerdings steigend. Etwa jeder dreißigste bösartige Tumor bei Männern wie bei Frauen ist ein Nierenzellkarzinom. Es gibt typische Symptome wie Flankenschmerzen, Blut im Urin oder sogar eine durch die Haut tastbare Geschwulst. Bei den meisten Patienten ist das Nierenzellkarzinom jedoch ein Zufallsbefund, der bei einer Ultraschall-, CT- oder Kernspinuntersuchung gestellt wird, die eigentlich aus anderen Gründen durchgeführt wurde. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen finden sich bereits Fernmetastasen. Alle anderen kommen für eine Operation in Frage, die auf dauerhafte Heilung zielt. Die Standardbehandlung ist im Moment noch die komplette Entfernung der betroffenen Niere. "Lediglich kleinere Tumore mit einem Durchmesser von bis zu vier Zentimetern werden meist reseziert, ohne das ganze Organ zu opfern", sagt Privatdozent Dr. Gralf Popken, Chefarzt der Urologie am Helios-Klinikum Berlin-Buch im Gespräch mit dem DocCheck-Newsletter. In diesen Fällen wird das angrenzende Gewebe mittels Schnellschnitttechnik histologisch untersucht, um zu verhindern, dass Tumorgewebe zurück bleibt. Popken hält das nicht für nicht optimal: "Die Irrtumswahrscheinlichkeit dabei ist hoch. Außerdem operieren wir unter Zeitdruck, weil die Blutversorgung der Niere unterbrochen wird." Auch nach einem unauffälligen Schnellschnitt könne man deswegen nicht hundertprozentig sicher sein, dass wirklich alle Schnittränder vollständig tumorfrei sind.
So wird die Niere zur großen Leuchte
Doch für Popken sind Probleme da, um sie zu lösen. Seine Antwort ist die von der Synthese des roten Blutfarbstoffs bekannte Substanz 5-Aminolävulinsäure. Diese wird unter anderem von Epithelzellen in Protoporphyrin IX umgewandelt, ein Metabolit, der im blauen Licht rot fluoresziert. Warum, so Popkens Überlegung, soll beim Nierenzellkarzinom nicht auch funktionieren was in der Harnblasenchirurgie bereits gute Dienste leistet? Gesagt, getan: Am Tiermodell konnte Popken zeigen, dass es etwa vier Stunden nach der Aufnahme von 5-Aminolävulinsäure zu einer Anreicherung von Protoporphyrin IX in bösartig veränderten Nierenzellen kommt. "Das Enzym, das Protoporphyrin IX in den Farbstoff Häm umwandelt, die Ferrochelatase, arbeitet in diesen Zellen nämlich langsamer", so Popken. Dass dieser Effekt auch beim Menschen vorhanden ist, hat der Berliner Urologe jetzt in einer Operationsserie mit mittlerweile knapp 100 Patienten zeigen können. Nach eigener Aussage ist Popken damit weltweit der erst, der Patienten mit Nierentumoren nach diesem Verfahren operiert. "Anders als beim Schnellschnitt können wir während der Operation mit eigenen Augen sehen, welches Gewebe entartet ist und welches nicht", so Popken zu DocCheck. Der Krebs leuchtet den Urologen förmlich entgegen. Aber wie sieht es mit der Rettung der Nieren aus? "International geht der Trend klar in Richtung nierenerhaltender Operation", so Popken, "auch bei Tumoren, die etwas größer sind als vier Zentimeter". Wenn sein Fluoreszenzverfahren dazu beiträgt, diesen für die Patienten erfreulichen Trend zu festigen, umso besser.