Technik die begeistert: Weil drohende Lungenödeme von vielen Herzpatienten nicht rechtzeitig bemerkt werden, gibt es jetzt den Wasserstandsmelder für den Brustkorb. Der neue Apparat warnt schon Tage im Voraus vor einem Lungenödem. Künftig könnten die Pegelstände in der Lunge sogar per Handy durch den Äther gejagt werden.
Das Szenario ist jedem Notarzt vertraut. Ein Patient kommt mit schwerer Luftnot auf die Notaufnahme. Stethoskop, Röntgenbild und BNP-Test verraten das Lungenödem des, wie sich herausstellt, schwer herzinsuffizienten Patienten. Mit Diuretika, Nitroglyzerin und etwas Morphin gelingt es schließlich, den Patienten auch ohne Intubation zu retten. Später wird er den Ärzten berichten, dass er schon seit Tagen an Gewicht zugelegt und schwerer Luft bekommen habe. Er hatte das aber nicht ernst genug genommen.
Schrittmacher liefert E-News über Pegelstände in den Lungen
Lungenödeme bei schwer herzinsuffizienten Patienten kommen nicht über Nacht. Das ist die Grunderkenntnis, die sich hinter einem neuen Gerät verbirgt, das seit einigen Wochen auch in Deutschland eingesetzt wird, ein Apparat, den man etwas salopp einen Wasserstandsmelder nennen kann. Technisch steckt dahinter das für viele Medizingerätehersteller offenbar zunehmend attraktive Prinzip der elektrischen Impedanzmessung. Die Bestimmung der Impedanz erfolgt über zwei Elektroden an unterschiedlichen Stellen im Gewebe. Was gemessen wird, ist letztlich ein elektrischer (Schein-)Widerstand in einem Wechselstromkreis. Die Impedanz eines biologischen Gewebes ist abhängig von dessen Wassergehalt. Und genau das macht sich das seit Sommer in Deutschland erhältliche Gerät InSync Sentry der Firma Medtronic zunutze: Kommt es bei einem herzinsuffizienten Patienten in den Tagen, bevor ein Lungenödem durch akute Luftnot manifest wird, zu einer Anreicherung von Wasser im Lungengewebe, dann registriert der Sensor eine Impedanzveränderung. Weil die Impedanz gewissen Schwankungen unterliegt, wird nicht der Einzelwert berücksichtigt, sondern es werden die gemessenen Impedanzen über einen bestimmten Zeitraum gemittelt. Der Trend ist dann ausschlaggebend dafür, ob das Gerät Alarm schlägt oder nicht.
Das Lungengewebe selbst wird gar nicht berührt
Der Trick bei dem Medtronic-Gerät ist nun, dass die "Wasserstandsanzeige" an einen so genannten biventrikulären Schrittmacher gekoppelt wird. "Diese Geräte werden bei Patienten mit stark eingeschränkter, linksventrikulärer Pumpfunktion eingesetzt, um die Aktivität der beiden Herzkammern zu synchronisieren und die Herzarbeit damit effizienter zu machen", so Professor Berndt Lüderitz von der Medizinischen Klinik II der Universität Bonn im Gespräch mit DocCheck. Ähnlich wie bei einem Schrittmacher wird dafür ein kleiner Metallkasten unter die Haut in der Schultergegend implantiert. An diesem hängen Elektroden, deren Enden in den Herzkammern liegen. "Für die Impedanzmessung sind keine weiteren Teile mehr nötig. Denn den einen Pol bilden die Elektroden im Herzen, den anderen das Metallgehäuse des Schrittmacher", erläutert Lüderitz das Prinzip.
"Das System schreit nach Fernüberwachung"
Lüderitz' erster Patient, der seinen Schrittmacher mit integrierter Wasserwarnung nach wiederholten, schweren Dekompensationsepisoden Ende August erhalten hat, konnte mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen werden. "Einen Haken hat das System leider noch", wie Lüderitz bedauernd mitteilt. Um ein Lungenödem auch wirklich rechtzeitig mitzubekommen, müsse der Patient im Prinzip zweimal die Woche zu einem Facharzt, der das Gerät mit einem Spezialapparat abliest. Je nachdem, wo ein Patient wohnt, kann das ziemlich unpraktikabel sein, auch wenn Lüderitz betont, dass es sich um schwer kranke Patienten handele, die ohnehin viele Arztkontakte haben. Trotzdem: "Das System schreit nach einer telemetrischen Überwachung", ist Lüderitz überzeugt. Eine Handy mit oder ohne zwischengeschaltetem Callcenter könnte diese Aufgabe übernehmen, ähnlich wie das schon von einigen Firmen für EKG-Aufzeichnungen angeboten wird. Auch Medtronic-Konkurrent Biotronik bietet bereits einen biventrikulären Schrittmacher mit Fernüberwachungsfunktion an, der kürzlich erstmals in Essen implantiert wurde (Pressemeldung). Privatdozent Dr. Sack vom Universitätsklinikum Essen wird auch das "Homecare"-Projekt leiten, das in Essen demnächst anlaufen soll und mit dem eine Verringerung der Hospitalisierungsrate durch biventrikuläre Schrittmacher mit Homecarefunktion belegt werden soll. Das entsprechende Gerät mit dem Namen Kronos LV-T hat bis jetzt allerdings noch keinen "Hochwassermelder".