Forscher wiesen nach, dass Proteine aus der Gruppe der Zeta-Toxine einen Mechanismus auslösen, in dessen Verlauf sich Bakterien selbst zerstören. Auslöser sind Toxin-Antitoxin-Systeme, die eine wichtige Rolle bei der Vererbung von Resistenz- und Virulenz-Genen spielen.
Bereits wenige Gene können aus harmlosen Bakterien gefährliche Killer machen. Gene für krankmachende Eigenschaften oder Antibiotika-Resistenz können mit Hilfe so genannter mobiler genetischer Elemente von Bakterium zu Bakterium übertragen werden. Diese Elemente tragen jedoch oft auch Gene für Toxine sowie die entsprechenden Antitoxine. „Die mobilen genetischen Elemente sind also für die Bakterien Segen und Fluch zugleich: Sie helfen ihnen zu überleben, können sie aber auch töten“, sagt Anton Meinhart vom Heidelberger Max-Planck-Institut.
Wenn die Naht platzt
PezAT („Pneumokokkales Epsilon/Zeta Toxin-Antitoxin System“) ist ein besonders interessantes Toxin-Antitoxin-System des Erregers Streptococcus pneumoniae. Diese, auch Pneumokokken genannten Bakterien verursachen schwere Infektionen, wie Lungenentzündungen, Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen. Die Toxin-Komponente PezT gehört hierbei zur Familie der sogenannten Zeta-Toxine, die auch in vielen anderen Krankheitserregern resistenzvermittelnde mobile genetische Elemente stabilisieren. Doch obwohl die Zeta-Toxin Familie schon vor fast 20 Jahren entdeckt wurde, war ihr tödlicher Mechanismus bis zuletzt ein Mysterium. Dabei schienen diese Toxine einen sehr ursprünglichen zellulären Prozess anzugreifen, denn die rätselhafte Aktivität von Zeta-Toxinen kann neben Bakterien auch Hefepilze und sogar Krebszellen absterben lassen.
Den Max-Planck-Wissenschaftlern ist es nun gelungen, die molekulare Wirkungsweise von Zeta-Toxinen an dem Modellbakterium Escherichia coli aufzuklären. Dabei stellte sich heraus, dass die bakteriellen Zellen nach künstlicher Aktivierung von PezT ähnliche Vergiftungserscheinungen zeigen, wie nach einer Behandlung mit dem bekannten Antibiotikum Penicillin: Zu Beginn der PezT-Vergiftung bleiben die meisten Zellen zunächst mitten in der Teilungsphase stecken. Nach einiger Zeit platzt dann die Nahtstelle zwischen den beiden Zellkörpern auf und die Zellen sterben.
Eine toxische Verwandlung
Nach weitergehenden Untersuchungen stellte sich heraus, dass PezT- und andere Zeta-Toxine neuartige Enzyme sind, die den essenziellen Zuckerbaustein UNAG (UDP-N-Acetylglucosamin) in ein giftiges Molekül verwandeln. Dieses Gift (UNAG-3P) verhindert nun, ganz ähnlich wie Penicillin, den Aufbau der bakteriellen Zellwand. Dadurch platzen die Zellen und sterben. Diesen zellinternen Prozess zu aktivieren, könnte die Antibiotika-Forschung einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen Resistenzen weiterbringen.
Die Zeta-Toxine sind die ersten bekannten Enzyme, die Bakterien von innen heraus durch die Produktion eines „Suizid-Antibiotikums“ vergiften. Da der Baustein UNAG in allen bekannten Bakterien universell für den Aufbau der Zellwand ist, lässt sich nun die breite Wirksamkeit von Zeta-Toxinen bzw. UNAG-3P erklären. Dies macht auch die bisher unentdeckte Substanz UNAG-3P zu einem wertvollen Grundstoff für die Entwicklung neuartiger Breitband-Antibiotika. Als nächstes wollen die Forscher deshalb klären, ob UNAG-3P als ein neues, wirksames Antibiotikum eingesetzt werden kann.
Außerdem konnten die Wissenschaftler mit ihrer Entdeckung ein bislang paradoxes Phänomen erklären: Das eigentlich tödliche Protein, das pneumokokkale Zeta-Toxin PezT, fördert nämlich die Infektionsrate der Pneumokokken. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass eine Aktivierung von PezT zum Platzen des Bakteriums führt und innere Bestandteile freisetzt. Dadurch gelangt auch eines der wichtigsten Gifte der Pneumokokken, das Pneumolysin, nach außen und ruft dort schwere Entzündungsreaktionen hervor. Auf diese Weise scheinen sich einzelne Pneumokokken während des Kampfs mit dem Immunsystem für die Gesamtpopulation zu opfern.
Originalpublikation: A Novel Mechanism of Programmed Cell Death in Bacteria by Toxin – Antitoxin Systems Corrupts Peptidoglycan Synthesis Hannes Mutschler et al.; PLoS Biology, 9(3): e1001033; 2011