COPD ist eine der am weitesten verbreiteten Lungenerkrankungen, die zudem nicht heilbar ist. Eine Ende Studie enthält wegweisende Erkenntnisse zur Genetik der Lungenfunktion, die neue Möglichkeiten bei der Behandlung der gefürchteten COPD eröffnet.
Wissenschaftler der Universität Greifswald haben gemeinsam mit 171 weiteren Forschern von 126 Studien-Zentren in Europa, den USA und Australien erstmals 16 Regionen im menschlichen Genom beschrieben, die maßgeblich die Lungenfunktion beeinflussen.
„Diese Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die molekularen Grundlagen von Lungenerkrankungen wie COPD“, sagte PD Dr. Sven Gläser von der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B in Greifswald. „Der Einfluss der genetischen Varianten in den 16 Regionen auf die Lungenfunktion konnte in der Studie zum ersten Mal eindeutig nachgewiesen werden. Das Wissen über die damit identifizierten molekularen Mechanismen kann nun genutzt werden, um gezielt wirksamere Medikamente zu entwickeln.“
26 genetische Varianten
Die Forschungsarbeit wurde von den beiden britischen Professoren Martin Tobin von der Universität Leicester und Ian Hall von der Universität Nottingham sowie von Dr. Stephanie London vom U.S. National Institute of Environmental Health Sciences geleitet. Sie umfasste die Analyse von 2,5 Millionen genetischer Varianten bei 48.201 Probanden aus aller Welt. Inzwischen haben die Wissenschaftler insgesamt 26 genetische Varianten ausfindig machen können, die sich direkt auf die Lungenfunktion auswirken. „In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass jene Varianten, welche die Lungenfunktion bedingen, auch die Anfälligkeit für COPD beeinflussen“, betonte Gläser.
„COPD ist eine fortschreitende Erkrankung, die das Atmen stark erschwert, einen von zehn Erwachsenen im Alter von über 40 Jahren betrifft und die vierthäufigste Todesursache weltweit darstellt“, erklärte Prof. Martin Tobin von der Universität Leicester. „Das Rauchen ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von COPD. Aber nicht alle Raucher entwickeln mit der gleichen Wahrscheinlichkeit COPD und die unterschiedliche Anfälligkeit beruht auf den genetischen Varianten des Menschen. Zum ersten Mal kennen wir nun die Identität einer derart großen Zahl dieser genetischen Varianten und der zugrundeliegenden physiologischen Mechanismen, mit denen sie in Beziehung stehen. Nun müssen wir die Forschung darauf konzentrieren, die entsprechenden Krankheitsmechanismen besser zu verstehen und daraus verbesserte Behandlungskonzepte abzuleiten. Unsere aktuellen Ergebnisse könnten den Schlüssel zu neuen Therapien für Lungenerkrankungen wie COPD liefern. Es ist aber noch zu früh für eine Aussage darüber, ob die identifizierten genetischen Varianten für die Entwicklung eines geeigneten Vorsorgetest zur Anfälligkeit für COPD benutzt werden könnten. Der sicherste Weg, COPD zu vermeiden, besteht nach wie vor darin, mit dem Rauchen aufzuhören.“
„Diese Arbeit ist so wichtig, weil wir bis vor kurzem die Faktoren nicht verstanden haben, die der erblichen Variabilität der Lungenfunktion zu Grunde liegen. Die groß angelegten genetischen Studien, die erforderlich waren, um die in diesem Zusammenhang wesentlichen Gene zu identifizieren, wären ohne die Zusammenarbeit vieler Forschergruppen in aller Welt und die Analyse der genetischen Daten von Tausenden von Menschen, die sich an den Studien beteiligt haben, nicht möglich gewesen“, ergänzte Prof. Ian Hall von der Universität Nottingham. „Wir müssen nun das Wissen, das wir durch diese Studie gewonnen haben, auf zweierlei Art nutzen: Einerseits, um mehr über die Funktion der Gene zu lernen, die das Risiko beeinflussen, eine Krankheit wie COPD zu entwickeln, andererseits, um Strategien zu entwickeln, die es erlauben, genetische Information zu nutzen, um die individuelle Patientenversorgung zu optimieren.“
Originalpublikation: Genome-wide association and large scale follow up identifies 16 new loci influencing lung function María Soler Artigas et al.; Nature Genetics, 43: 1082–1090; 2012