Ein Forscherteam des Helmholtz Zentrums München und der Universität Pittsburgh konnte genetisch festgelegte Abläufe in der Lungenentwicklung von Mäusen nachverfolgen und zeigen, wie Genveränderungen die Lungenfunktion beeinflussen.
Diese könnte eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Lungenerkrankungen wie Asthma oder chronisch obstruktiver Bronchitis zur Folge haben. Die Ergebnisse wurden vorab online in der renommierten Zeitschrift Physiological Genomics veröffentlicht. Menschen unterscheiden sich in der Funktionsfähigkeit ihrer Lunge und in ihrer Anfälligkeit für umweltbedingte Lungenerkrankungen. Wie beides zusammen hängt, ist jedoch unklar. Einen Erklärungsansatz liefert die in der renommierten Zeitschrift Physiological Genomics vorab online veröffentlichte Untersuchung zur Rolle des Gens Superoxid Dismutase 3.
Prof. Holger Schulz vom Helmholtz Zentrum München und Prof. George D. Leikauf von der Universität Pittsburgh konnten im Team mit Wissenschaftlern weiterer deutscher und amerikanischer Forschungsinstitute zeigen, dass bei zwei Mausinzuchtstämmen vorliegende Varianten des für das Enzym Superoxid Dismutase 3 codierenden Gens die Entwicklung der Lunge beeinträchtigen. Das Gen Superoxid Dismutase 3 war bereits in früheren Untersuchungen des Helmholtz Zentrums München und verschiedenen nationalen und internationalen Partnern als ein Kandidatengen für verringerte Lungenfunktion und -leistung identifiziert worden.
Erstmals ist es gelungen, die biologische Funktion des Gens und des von ihm gebildeten Proteins bei der nachgeburtlichen Entwicklung der Lunge näher zu beleuchten. Die untersuchten Genvarianten der Superoxid Dismutase 3 sind dafür verantwortlich, dass in den verschiedenen Stadien der Lungenausbildung in dem Mausstamm mit "kleiner Lunge" immer weniger Enzymprotein gebildet wird. Dies wirkt sich insbesondere auf das Bronchialepithel und das für den Gasaustausch entscheidende Alveolarparenchym aus.
In einem ersten Ansatz konnte das Forscherteam die Laborergebnisse auch für die Lungenentwicklung bei Kindern nachvollziehen: Wie bei der Maus reift die menschliche Lunge nach der Geburt weiter und entwickelt im Verlauf der Kindheit und frühen Jugend ihre volle Leistungsfähigkeit. In Zusammenarbeit mit Prof. Erika von Mutius, Ludwig-Maximilians-Universität München, und Prof. Michael Kabesch, Medizinische Hochschule Hannover, gingen die Wissenschaftler daher der Frage nach, ob die gefundenen Genvarianten auch für die Lungenfunktion von Kindern Bedeutung haben. Die Internationale Asthma- und Allergiestudie ISAAC lieferte die hierfür erforderlichen Daten. Bei einer Stichprobe von gut 1500 neun- bis elfjährigen Kindern aus München und Dresden wurde die Assoziation zwischen Genvarianten und Lungenfunktion untersucht. Das Team konnte bei den in ihrer Lungenfunktion beeinträchtigten Kindern vergleichbare Genvariationen wie bei den untersuchten Mäusen nachweisen. Dabei wurde die Lungenfunktion mit spirometrischen Methoden getestet, die Menge und Geschwindigkeit der ausgeatmeten Luft messen.
"Mit unserer Untersuchung ist ein wichtiger Schritt getan, um die im Labor gewonnenen Erkenntnisse zur Genetik der Lungenfunktion auf den Menschen zu übertragen und die zugrunde liegenden Mechanismen verstehen zu können", erklärt Prof. Holger Schulz, der im Institute for Lung Biology and Disease und dem vom Helmholtz Zentrum München, der Ludwig-Maximilians-Universität und den Asklepios Fachkliniken gemeinsam aufgebauten Comprehensive Pneumology Center (CPC) an den Mechanismen umweltbedingter Lungenerkrankungen forscht. "Wir wissen, dass Superoxid Dismutase 3 die Lunge vor oxidativem Stress schützt, wie er beispielsweise durch Chemikalien oder Zigarettenrauch verursacht wird. Dies könnte ein Bindeglied zwischen Passivrauch und eingeschränkter Lungenentwicklung bei Kindern sein", sagt Schulz weiter.