In anderen Ländern entwickeln sich öffentliche Apotheken mehr und mehr zu Gesundheitszentren. Standesvertreter aus Südtirol arbeiten an einem niedrigschwelligen Modell, um psychologische Dienstleistungen ergänzend zum klinischen Angebot zur Verfügung zu stellen.
„Viele Menschen scheuen sich immer noch davor, einen Psychologen aufzusuchen“, sagt Edmund Senoner, Vizepräsident der Psychologenkammer Südtirols. Zusammen mit Apothekern und Psychologen entwickelte er deshalb das Projekt „Der Psychologe in der Apotheke“. Senoners Idee ist, psychologische Leistungen im vertrauten Umfeld der Apotheke anzubieten. Damit will er „Menschen die Hemmungen, die sie vielleicht haben, nehmen“.
Sie haben die Möglichkeit, ohne lange Wartezeiten Psychologen zu kontaktieren, um ihre Probleme zu schildern. Senoner sieht den Service nicht als Konkurrenz zu klinischen oder ambulanten Angeboten, sondern vielmehr als Möglichkeit, Patienten unkompliziert weitere Hilfsangebote zu vermitteln. Sie zahlen für zwei Gespräche jeweils 36 Euro. Hinzu kommen zehn Euro zuzüglich Mehrwertsteuer für die Apotheke. In Südtirol haben bisher 49 der 119 Apotheken ihr Interesse bekundet. Sie stellen einen abgeschlossenen Beratungsraum zur Verfügung. Um vor Ort zu arbeiten, müssen Psychologen die akademische Ausbildung und die Staatsprüfung absolviert haben. Verpflichtend ist der Eintrag im standeseigenen Berufsverzeichnis. Außerdem sind sie verpflichtet, beide Landessprachen – also Deutsch und Italienisch – zu beherrschen.
Medienberichten zufolge bieten Apotheker Leistungen im Rahmen von „Der Psychologe in der Apotheke“ drei Monate lang an. Danach planen alle Psychologen, die am Projekt teilgenommen haben, ein Treffen. Liegen Ergebnisse der Evaluation vor, wollen sie entscheiden, ob es sinnvoll ist, die Leistungen dauerhaft anzubieten. Davon sind Standesvertreter nach früheren Erfahrungen überzeugt. Seit 2009 bieten mehrere Großstädte wie Rom, Mailand, Turin, Bologna oder Verona im Rahmen von „Lo Psicologo in Farmacia“ niedrigschwellige Beratung an.
Die Idee, Patienten in ihrer Lebenswelt abzuholen, funktioniert nicht nur mit psychologischer Beratung. Um gegen die Impfmüdigkeit vorzugehen, setzen Schweizer Kantone auf Apotheker. Und in Australien oder in den USA bieten Dermatologen Hautkrebs-Screenings vor Ort an.