In letzter Zeit häuften sich die Übergriffe auf Rettungskräfte. Ein neues Gesetz mit drakonischen Strafen soll Täter abschrecken. Experten loben die Signalwirkung, warnen aber vor übertriebenen Erwartungen. Bei Affekthandlungen helfen keine Paragraphen.
Rettungswägen wurden mit Böllern beworfen oder Feuerwehrkräfte am Ausrücken gehindert – in der letzten Silvesternacht eskalierte mancherorts die Gewalt. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Immer wieder verletzten aggressive Patienten oder deren Angehörige Retter aller Berufsgruppen. „Wir sehen in den letzten Jahren eine steigende Tendenz solcher Gewalttaten“, sagte Hermann Gröhe (CDU) in Berlin. Er sprach von „null Toleranz“ bei Übergriffen. Jetzt liegt ein Kabinettsentwurf des „Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ vor.
Zur Notwendigkeit schreibt die Bundesregierung: „Der Schutz von Vollstreckungsbeamtinnen und -beamten sowie von Rettungskräften ist ein wichtiges Anliegen. Kommt es während der Ausübung ihres Dienstes zu einem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, werden sie nicht als Individualpersonen angegriffen, sondern als Repräsentanten der staatlichen Gewalt.“ Künftig sollen bereits sogenannte einfache Diensthandlungen, also Unfallaufnahmen oder Streifenfahrten, besonders geschützt werden. Greifen Bürger Einsatzkräfte dabei an oder behindern diese absichtlich bei der Ausübung ihrer Pflichten, drohen harte Strafen. Die Bandbreite reicht von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Bisher galt das nur für sogenannte Vollstreckungshandlungen wie Festnahmen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stellt klar, dass seine Regelungen für alle Rettungskräfte gelten – nicht nur für Polizisten. Die Kriminologin Lara Dressler spricht gegenüber Spiegel online von einem „guten politischen Symbol“. Entscheidend sei aber die Anwendung. Auf abschreckende Effekte hofft sie nicht: Bei Effekthandlungen seien den Tätern die Konsequenzen nicht bewusst.
Die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) wünscht sich deshalb mehr Kurse für Mitarbeiter des Rettungsdiensts. Zum Deeskalationstraining gehören nicht nur theoretische Grundlagen, sondern auch Fallbeispiele, Rollenspiele, rechtliche Aspekte der Notwehr und Grundlagen der Selbstverteidigung.