Eine neue Generation Gerinnungshemmer schützt Patienten mit Vorhofflimmern vor Embolien. Wie eine Metaanalyse nun zeigen konnte, senken die Medikamente auch bei Patienten, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben, das Risiko eines erneuten Schlaganfalls.
Rund ein Prozent der deutschen Bevölkerung leidet an Vorhofflimmern. Zu den häufigsten Auslösern zählen Herzinsuffizienz, Bluthochdruck sowie hohes Alter. Von den über 80-Jährigen erkranken etwa zehn Prozent an Vorhofflimmern. Experten schätzen, dass etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle in Deutschland auf durch Vorhofflimmern ausgelöst werden. Bei Patienten mit Vorhofflimmern verdoppelt sich das Risiko eines tödlichen Schlaganfalls. Wenn die Betroffenen ihn überleben, leiden sie häufiger unter schwereren Behinderungen und weisen ein höheres Rückfallrisiko auf als Patienten mit anderen Schlaganfallursachen. Bisherige Medikamente nur schwer steuerbar Deshalb erhalten viele Patienten mit Vorhofflimmern gerinnungshemmende Medikamente. Diese Behandlung ist jedoch nicht ohne Gefahren: Denn Antikoagulanzien können zu Blutungen im Gehirn führen und so ebenfalls einen Schlaganfall verursachen. Die effektivsten Medikamente waren bis vor kurzem Vitamin-K-Antagonisten. Diese Mittel hemmen die Bildung der Gerinnungsfaktoren in der Leber. Ihre Wirkung ist wegen häufiger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Nahrungsmitteln nur schwer zu steuern. Deshalb müssen bei Patienten, die Vitamin-K-Antagonisten einnehmen, die Gerinnungswerte engmaschig kontrolliert werden. Seit zwei Jahren können Ärzte allerdings auf neue Antikoagulanzien zurückgreifen, bei denen diese Kontrollen entfallen. Die oral einzunehmenden Wirkstoffe Rivaroxaban, Dabigatran und Apixaban hemmen direkt die Gerinnungsfaktoren – entweder Thrombin oder den Faktor Xa – und zeigen eine lineare Beziehung zwischen Dosierung und Gerinnungshemmung. In einer Anfang April diesen Jahres erschienenen Pressemitteilung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) dem Wirkstoff Apixaban einen beträchtlichen Zusatznutzen bei über 65-jährigen Patienten mit Vorhofflimmern zugesprochen. Metaanalyse legte Augenmerk auf Patienten-Subgruppe In den Zulassungsstudien der drei neuen Gerinnungshemmer nahmen auch Patienten mit Vorhofflimmern teil, die bereits einen Schlaganfall erlitten hatten. Allerdings war ihre Anzahl in den einzelnen Studien jeweils zu gering, als dass sich für diese Subgruppe alleine ein signifikanter Vorteil beim Einsatz eines der neuen Mittel im Vergleich mit einem Vitamin-K-Antagonisten ergeben hätte. Da diese Patienten unter einem besonders hohen Risiko eines erneuten Schlaganfalls stehen, wurde mit Spannung eine zusammenfassende Analyse erwartet, die den Gebrauch von Rivaroxaban, Dabigatran und Apixaban speziell bei ihnen prüfte und mit den bisherigen Gerinnungshemmern verglich. Eine solche Metaanalyse ist nun gelungen: Wie die Mediziner um Professor Hans-Christoph Diener in der Fachzeitschrift Stroke mitteilten, bieten die neuen Wirkstoffe auch bei dieser Patienten-Subgruppe einen besseren Schlaganfallschutz als Vitamin-K-Antagonisten. Diener und seine Kollegen werteten insgesamt drei Originalpublikationen mit 14.527 Patienten genauer aus, die alle bereits einen Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) erlitten hatten. 7.876 dieser Patienten erhielten eines der neuen Antikoagulanzien und die anderen 6651 bekamen den Vitamin-K-Antagonisten Warfarin. Der Beobachtungszeitraum betrug durchschnittlich zwei Jahre. Es zeigte sich, dass die neuen Gerinnungshemmer dem Vitamin-K-Antagonisten in mehrfacher Hinsicht überlegen waren: Das Risiko eines erneuten Schlaganfalls reduzierte sich bei ihrem Einsatz um 14 Prozent. Auch die Wahrscheinlichkeit von neu auftretenden Blutungen verminderte sich um 13 Prozent. Besonders starker Schutz vor Hirnblutungen Einen besonders starken Schutz boten die neuen Gerinnungshemmer vor Hirnblutungen: In der Gruppe, die entweder Rivaroxaban, Dabigatran oder Apixaban erhalten hatte, waren nur knapp halb so viele Studienteilnehmer davon betroffen wie in der Kontrollgruppe. „Wir können deshalb Patienten mit Vorhofflimmern, die nach einem Schlaganfall einen Schutz benötigen, die Therapie mit einem der neuen Medikamente empfehlen“, sagt Diener, der Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Essen ist. „Ein weiterer Vorteil ist auch, dass die neuen Gerinnungshemmer wesentlich schneller im Körper abgebaut werden als die bisherigen Vitamin-K-Antagonisten, was die Planung und Durchführung von Operationen vereinfacht.“ Daraus ergebe sich, so der Neurologe, jedoch auch ein Nachteil, denn die neuen Substanzen erforderten die Bereitschaft der Patienten, sie auch täglich konsequent einzunehmen. Diener: „Bei den Vitamin-K-Antagonisten konnte aufgrund ihrer langen Halbwertszeit auch einmal eine Tablette vergessen werden.“ Aus dem klinischen Alltag sind Vitamin-K-Antagonisten noch nicht verschwunden: „Zwar erhalten immer mehr Patienten, bei denen ein Vorhofflimmern neu diagnostiziert wurde, die neuen Substanzen“, sagt Diener. „Aber es besteht immer noch Zurückhaltung, Patienten umzustellen, wenn deren Gerinnungswerte bereits mit einem Vitamin-K-Antagonisten gut unter Kontrolle gebracht wurden.“ Andere Experten gibt die Metaanalyse von Diener und seinen Kollegen ein weiteres Stück Sicherheit: „Die veröffentlichten Daten ermutigen mich, jetzt auch solche Schlaganfall-Patienten mit einem Gerinnungshemmer zu behandeln, bei denen ich es früher aus Angst vor Blutungen nicht getan habe“, sagt Professor Martin Grond, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Kreisklinikum Siegen und 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Dank der deutlich geringeren Hirnblutungsrate sind die neuen Gerinnungshemmer eine große Errungenschaft in der Sekundärprophylaxe.“