Sie treten meist im Kindesalter auf und verlaufen tödlich: Stoffwechselerkrankungen des Gehirns vom Typ der Neuronalen Ceroid-Lipofuszinosen (NCL). Die Suche nach einer Therapie ist schwierig. Jüngste Forschungsergebnisse könnten neue Wege eröffnen.
Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCL) sind genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen des Gehirns. Rund zehn verschiedenen Formen sind bislang bekannt; alle sind durch verschiedene Genmutationen verursacht. Variieren diese Formen in ihrem Beginn und Ausprägung, so ist ihnen doch eines gemein: Sie sind bislang nicht behandelbar und verlaufen immer tödlich. Oft beginnen die Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und machen sich zunächst durch eine Verschlechterung der Sehleistung bemerkbar, gefolgt von epileptischen Anfällen, Erblindung, Taubheit, Demenz und frühem Tod. Die Gruppe um Rudolf Martini, Leiter der Sektion Experimentelle Entwicklungsneurobiologie an der Neurologischen Klinik der Uni Würzburg, hat vor einigen Jahren damit begonnen, den Verlauf einer besonders aggressiven und früh einsetzenden Form dieser Erkrankungen zu erforschen. Unterstützt wurden die Wissenschaftler von Kollegen aus London und Regensburg. Nun können die Forscher mit ersten Ergebnissen aufwarten. Erste Erfolge im Tierexperiment Janos Groh, Doktorand der Würzburger Arbeitsgruppe, hat dafür spezielle Mäusestämme miteinander gekreuzt: Während die eine Maus die Anlage für eine Neuronale Ceroid-Lipofuszinose in ihrem Erbgut trug, war bei der anderen Maus das Immunsystem fehlerhaft ausgebildet. Das Ergebnis: "Sowohl in klinischer wie auch in neurobiologischer Hinsicht hat sich der Zustand der Mäuse erheblich verbessert", sagt Rudolf Martini. Zusätzlich konnte Groh spezielle Zellen des Immunsystems als krankheitsverstärkende Komponenten identifizieren: die sogenannten CD8-Marker-positiven "zytotoxischen" T-Lymphozyten. "Schaltet man diese Zellen aus, degenerieren deutlich weniger Nervenfasern und -zellen, obwohl sie immer noch die für toxisch erachteten Stoffwechselprodukte anhäufen", sagt Groh. In der Folge habe sich das Sehvermögen der Mäuse erheblich verbessert, die Zahl der epileptischen Anfälle sei gesunken, insgesamt hätten die Mäuse deutlich länger gelebt als Tiere mit intaktem Immunsystem. Ansatz im Immunsystem Von einem wirklichen Durchbruch bei der Suche nach einer Therapie für NCL-Patienten wollen die Wissenschaftler noch nicht sprechen. "Man muss einschränkend sagen, dass die immundefizienten Modellmäuse gerade außerhalb des visuellen Systems immer noch einige neurologische Defizite zeigen", sagt Martini. "Trotzdem profitieren die Modellmäuse eindeutig, und die Beobachtungen bieten Anlass zur Hoffnung". Es sei ferner gut möglich, dass immunmodulierende Behandlungen in Kombination mit anderen Therapieoptionen, wie gentechnische Maßnahmen, zu vielversprechenden Behandlungskonzepten führen könnten. Die Chancen dafür sind gut: "Derzeit sind zahlreiche Immunmodulatoren für häufige, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems wie etwa der Multiplen Sklerose in Entwicklung", sagt Martini. Diese Entwicklung aufgreifend konnte die Würzburger Arbeitsgruppe jüngst ein weiterführendes Forschungsstipendium einwerben. Originalpublikation: Immune cells perturb axons and impair neuronal survival in a mouse model of infantile neuronal ceroid lipofuscinosis Rudolf Martini et al.; Brain, doi: 10.1093/brain/awt020; 2013