Zwillinge im Vergleich: Der eine schläft ausreichend, der andere zu wenig. Auf lange Sicht bedeutet das für letzteren ein deutlich schwächeres Immunsystem. Dabei ist bereits eine Stunde Differenz ausschlaggebend, so das Ergebnis einer amerikanischen Studie.
Wenn man nicht genug schläft, leidet das Immunsystem darunter. Das ist das Ergebnis einer Studie mit elf erwachsenen eineiigen Zwillingen. Jedes Geschwisterpaar hatte deutlich unterschiedliche Schlafroutinen. Jener Zwilling, der regelmäßig weniger schlief, war auch derjenige mit der schwächeren Immunabwehr. Eine neue Studie von Neurologe Nathaniel Watson und seinem Team der University of Washington Medicine Sleep Center in Seattle könnte erklären, warum schon in früheren Forschungen Personen mit Schlafmangel mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer Erkältung erkrankten, wenn sie einem Rhinovirus ausgesetzt waren, als Personen, die ausreichend schliefen.
In den USA ist der tägliche Schlaf innerhalb des letzten Jahrhunderts laut Angaben des U.S. Centers for Disease Control and Prevention durchschnittlich um geschätzte 1,5 bis 2 Stunden gesunken. „In einer Gesellschaft, in der man zu jeder Tageszeit Licht hat und mit einer omnipresenten Technologie aufwächst, die immer mehr Zeit einnimmt, entsteht ein Zeitgeist, der die Wichtigkeit von Schlaf herunterspielt“, argumentieren die Studienautoren. Und obwohl sieben oder mehr Stunden täglicher Schlaf von vielen – auch Watson – als notwendig für einen gesunden Lebensstil betrachtet werden, kommt ein Drittel der arbeitstätigen Erwachsenen jede Nacht auf weniger als sechs Stunden. Laut den Wissenschaftlern ist die Schlafroutine zu 31 bis 55 Prozent auf genetische Prädisposition zurückzuführen, die restlichen Prozent beziehen sich auf den Lebensstil und die Umgebung.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf setzten die Forscher den Fokus auf die nicht-genetischen Faktoren, die das Schlafverhalten beeinflussen, indem sie die Routinen von elf gesunden eineiigen Zwillingspaaren untersuchten. Über 80 Prozent der Teilnehmer waren weiblich, das Durchschnittsalter betrug 43 Jahre. Alle Geschwister unterschieden sich in ihrem Schlafverhalten deutlich. Die Schlafroutine der Zwillingsgeschwister wurde unter natürlichen „real-world-circumstances“ über einen Zeitraum von zwei Wochen beobachtet. Die Testpersonen kamen auf etwa sieben Stunden Schlaf pro Nacht. Im Durchschnitt schlief immer eine Testperson 64 Minuten weniger als ihr Zwilling. Bluttestanalysen der weißen Blutkörperchen und der Blutzellenaktivität zeigten, dass der Zwilling, der weniger schlief, eine schwächere Immunreaktion aufwies.
Die Frage ist, warum das so ist. „Schlaf hat eine regenerative Funktion und unterstützt die Immunglobulinproduktion“, sagt Watson. „Schlaf ist ebenso wichtig für einen optimalen körperlichen Zustand wie Ernährung und Bewegung. Es gibt keinen Ersatz für guten Schlaf. Wer Probleme mit dem (Ein)schlafen hat, sollte einen Arzt kontaktieren, es könnte sich um eine Schlafstörung handeln.“ Originalpublikation: Transcriptional Signatures of Sleep Duration Discordance in Monozygotic Twins Nathaniel F. Watson et al.; Sleep, doi: 10.1093/sleep/zsw019; 2017