Erstmals haben amerikanische Neurochirurgen gentechnisch veränderte T-Zellen zur Behandlung eines soliden Tumors eingesetzt. Ein Patient mit einem rezidivierten und multifokalen Glioblastom befand sich etwa sieben Monate in Remission.
Etwa 3.400 Menschen erhalten jedes Jahr die vernichtende Diagnose „Glioblastoma multiforme“. Trotz Therapie verbleiben ihnen im Durchschnitt nur noch eineinhalb Jahre Lebenszeit. Die derzeitige Standardbehandlung kann nur das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, denn nach wie vor gelten Glioblastome als unheilbar.
Doch warum ist gerade dieser Tumor so bösartig? Der Grund hierfür ist laut den Experten vom Deutschen Krebsforschungszentrum das Enzym IDH1, welches bei einigen Glioblastomen charakteristisch und tumorspezifisch verändert sein soll. Zusammen mit der Firma Bayer haben die Forscher eine Substanz entwickelt, die eine bestimmte Variante des IDH1s blockiert und so das Tumorwachstum hemmt. Diese soll kurz vor der klinischen Prüfung stehen. „Einen zentralen Steuermechanismus“ entdeckten die Wissenschaftler um Dr. Maria Stella Carro vom Universitätsklinikum Freiburg dagegen in mesenchymalen Glioblastomen. Das Eiweiß-Molekül ANXA2, das vor allem im mesenchymalen Glioblastom gebildet wird, spielt bei Blutabbau, Zellwachstum und Zellbewegung eine Rolle. Wird es blockiert, vermehren sich die Krebszellen nicht mehr. Die Ergebnisse wurden in dem frei zugänglichen Journal EbioMedicine veröffentlicht. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt der leitende Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Ulm, Prof. Dr. Marc-Eric Halatsch. Seiner Meinung nach führt eine Mischung aus langjährig erprobten Medikamenten und Substanzen in Kombination mit dem Chemotherapeutikum Temozolomid dazu, dass die Glioblastomzellen absterben, DocCheck berichtete. Das auf Glioblastomrezidive ausgerichtete klinische Therapiekonzept trägt den Namen CUSP9v3 (Coordinated Undermining of Survival Paths by 9 repurposed drugs, Version 3). Vorklinische Untersuchungen und erste sogenannte individuelle Heilversuche verliefen positiv, die klinische Studie ist Ende 2016 gestartet. Primärer Endpunkt dieser Untersuchung ist die Sicherheit, sekundäre Endpunkte bilden die progressionsfreie Zeit sowie die Gesamtüberlebenszeit.
Immer öfter hört man auch von Krebstherapien, bei denen T-Zellen gentechnisch so verändert werden, dass sie den Tumor attackieren. Diese sog. CAR-T-Zelltherapie konnte bereits bei Lymphomen und Leukämien zum Teil sehr gute Ergebnisse erzielen. Ihr Einsatz bei soliden Tumoren ist jedoch komplizierter, da die T-Zellen in ausreichender Menge erst zu den Krebszellen gelangen müssen. Behnam Badie vom Beckman Research Institute des City of Hope Krankenhauses zeigt jedoch, dass die CAR-T-Zelltherapie auch beim hochmalignen Glioblastom eine Option sein kann. Veröffentlich wurden die Ergebnisse im New England Journal of Medicine. An der Phase-1-Studie von Behnam Badie nahm, neben sechs weiteren Betroffenen, auch ein 50-jähriger Patient teil. Er litt an einem Glioblastom im rechten Temporallappen und hatte bereits eine Operation sowie Strahlen- und eine Chemotherapie hinter sich. Sechs Monate nach dem chirurgischen Eingriff war es jedoch zu einem Rezidiv gekommen. Diesem Patienten entnahmen nun Behnam Badie und ihr Team Blut und fokussierten sich auf die T-Zellen. Mithilfe von harmlosen Lentiviren programmierten sie daraufhin die darin enthaltenen T-Zellen um: Die Viren luden in den Immunzellen ein Gen mit Informationen für einen chimärischen Antigen-Rezeptor (CAR) ab. Für jede Krebsart müssen jedoch andere CAR-exprimierenden T-Zellen konstruiert werden. Die Immunzellen der Wissenschaftler um Badie beispielsweise richteten sich gegen das tumorassoziierte Gen IL13Rα2 (Interleukin-13Rezeptor alpha2). Nach dem „Umprogrammieren“ wurden die T-Zellen in Kulturen vermehrt. Der gesamte Prozess nahm etwa 60 Tage in Anspruch. Werden diese Zellen dem Patienten nun infudiert, attackieren sie alle Krebszellen, die das Antigen tragen.
Der Patient habe die Immuntherapie gut vertragen. Nach der Infusion seien innerhalb von 72 Stunden nur milde Nebenwirkungen wie Fatigue, Kopfschmerzen, Angststörung oder Myalgie aufgetreten. Schwerwiegende oder gar lebensbedrohende unerwünschte Wirkungen habe das Team um Badie nicht beobachten können. Zudem verbesserte sich den Autoren zufolge die Lebensqualität des Studienteilnehmers unter der CAR-T-Zelltherapie deutlich – eine systemische Glukokortikoid-Therapie sei nicht mehr notwendig gewesen und er konnte zu den alltäglichen Aktivitäten zurückkehren. „Unglücklicherweise kehrte die Erkrankung des Patienten schließlich nach 16 Zyklen (228 Tagen nach der ersten CAR-T-Zellenbehandlung) an vier neuen Orten [...] zurück,“ so die Autoren in ihrer Studie. Warum diese Tumore auftraten, wird gerade untersucht. Die vorläufigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Expression des tumorassoziierten Gens IL23Rα2 zurückging. Nichtsdestotrotz hätte der Studienteilnehmer ohne die Behandlung kaum so lange überlebt. Ob die CAR-T-Zelltherapie auch bei den anderen Patienten so positive Ergebnisse erzielen wird oder ob es sich bei dem 50-Jährigen um einen Einzelfall handelt, wird sich wohl erst am Ende der Studie in zwei Jahren herausstellen.