Anfang dieses Jahres gestartet, mausert sich das Fortbildungsportal für Apotheker der Universität Witten/Herdecke zunehmend zu einer wichtigen (Internet-)Adresse für fortbildungshungrige Apotheker. Die Rezeptur: Eine Prise evidenzbasierte Medizin unter apothekenspezifischem Blickwinkel.
Die gesetzlich verankerte Fortbildungspflicht für Ärzte hat zu einem mittlerweile unüberschaubaren Markt an Fortbildungsangeboten für diese Zielgruppe geführt. Neben der klassischen Präsenzfortbildung hat sich das Internet als neues Medium für den zertifizierten Wissenserwerb in kürzester Zeit etabliert. Auch Apothekerinnen und Apotheker bilden sich fort. Eine Fortbildungspflicht allerdings gibt es hier noch nicht. Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass die Internetfortbildung bei Pharmazeuten bisher noch nicht zur Massenerscheinung geworden ist. Doch kein Zweifel: Auch für Apotheker nimmt das Online-Angebot zu.
Leitlinien kommen via Ruhrgebiet in die Apotheke
Jüngstes Beispiel ist das Portal Apotheker-Wissen.de, das vor einigen Monaten gestartet wurde und seither sukzessive ausgebaut wird. Wie auch das schon etwas ältere Schwesterportal Mediziner-Wissen.de ist es unter dem Dach der Universität Witten/Herdecke angesiedelt. Wer jetzt sofort an evidenzbasiertes Wissen denkt, für das Witten/Herdecke seit jeher steht, liegt ziemlich richtig. Denn die Fortbildungsbemühungen sind ein Ableger des Wissensnetzwerks Evidence.de der Medizinischen Fakultät. Evidence.de hat außer Fortbildungsmodulen auch Informationsangebote für Patienten, Angehörige und Studenten im Angebot, darunter einen Asthma-Newsletter und die Informationsseite Leitlinien-Wissen.de, die sich an Fachleute richtet. Apotheker-Wissen.de entstand als Kooperation zwischen der Universität und dem Dortmunder IT-Dienstleister Materna, ein Anbieter von mobilen und stationären IT-Lösungen. Zur Teilnahme benötigen Apotheker eine PIN-Nummer, die gegen eine Gebühr von neun Euro käuflich erworben werden kann. Die Fortbildungen sind also gebührenpflichtig. Das dürfte weniger der Finanzierung dienen, denn dafür werden die Einnahmen kaum reichen. Eher handelt es sich wohl um ein Abgrenzungsmittel gegen industrienahe Konkurrenzportale. Wie bei Onlinefortbildungen üblich, werden auch die Module von Apotheker-Wissen.de mit jeweils einem Fortbildungspunkt belohnt. Akkreditierende Behörde ist die Apothekerkammer Niedersachsen, deren Punkte im ganzen Bundesgebiet anerkannt werden.
Aktive Leitlinienarbeit statt sanfte Berieselung mit Information
Dass sich Apotheker fortbilden sollten, ist zumindest für Wittens Prodekan Dr. Martin Butzlaff keine Frage: Schließlich erwarten Patienten, in ihrer Apotheke nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft beraten zu werden, so Butzlaff anlässlich der Inbetriebnahme von Apotheker-Wissen.de. Die Frage freilich ist, wie man das gestaltet. Apotheker-Wissen.de geht dabei einen etwas anderen Weg als die meisten Fortbildungsportale. Die industrienahe Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker (MGDA) beispielsweise zieht ihre Online-Fortbildungen für Apotheker klassisch auf: Am Anfang steht ein Beschwerdebild, von dem ausgehend mögliche Produkte eingeführt werden. Der Apotheker zappt sich durch einige Informationsseiten, die er im Idealfall durcharbeitet, bevor er dann bei einem Fragebogen landet, der in der Erteilung eines Zertifikats mündet. Apotheker-Wissen.de kürzt diesen Weg ab: Die Module bestehen von vornherein aus jeweils zehn Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Wer sich bei einer Frage unsicher ist, beziehungsweise wer sie falsch beantwortet, bekommt das Angebot, sich in der entsprechenden evidenzbasierten Leitlinie umzusehen. Dort kann dann beispielsweise die Studie nachgeschlagen werden, die gezeigt hat, dass die vermehrte Zufuhr von Obst und Gemüse den Blutdruck senken kann. Die Module sind nach medizinischen Problemen wie Harnwegsinfekte oder Demenz ausgerichtet, behandeln aber jeweils nur solche Inhalte, die am Apothekentresen relevant sein können. Diese Art der Fortbildung hat ein paar Vorteile: Wer sich auskennt, ist schnell durch. Außerdem fühlt sich der Teilnehmer weniger bevormundet als in vielen produktnahen Fortbildungen. Der Nachteil freilich ist auch klar: Ein erheblicher Teil der Beratung in Apotheken ist nun mal produktnah. Und nicht immer steht die wissenschaftliche Evidenz im Vordergrund. Wer auf die häufigsten Kundenfragen zu Artischocken- oder Enzianprodukten optimal vorbereitet sein will, ist bei der MGDA unter Umständen besser aufgehoben. Es handelt sich am ehesten um ergänzende Arten der Fortbildung.