Geschätzte 30 Millionen Euro könne sie in einem Jahr durch die Verax-Liste sparen, triumphierte die Techniker Krankenkasse (TK) noch vor kurzem. 1,3 Millionen Karten seien inzwischen sogar bereits als gesperrt gemeldet. Trotz dieser positiven Bilanz sind es bislang nur 22 weitere der 300 Krankenkassen, die das Softwaresystem gegen den Chipkartenmissbrauch nutzen. DocCheck prüfte Pro und Contra der Firewall.
Eindeutiger Handlungsbedarf
Außer Frage steht, dass die bestehenden Versichertenkarten zur Zeit ausreichend Angriffsfläche bieten, um damit Missbrauch zu betreiben: Bislang enthalten die Plastikkarten weder ein Foto der versicherten Person, noch besteht eine Rückgabepflicht alter Karten, die z.B. durch Wohnortwechsel oder Namensänderung nicht länger genutzt werden. Gut ein Drittel der insgesamt 5,6 Millionen TK-Versicherten erhalten beispielsweise jedes Jahr eine neue Karte; den durch Missbrauch verursachten Schaden für die Ärzte schätzte die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns auf jährlich rund eine Milliarde Euro. Auch die Krankenkassen werden den Schätzungen zufolge um rund eine Milliarde Euro geprellt denn bei missbräuchlich mit befreit angegebenen Zuzahlungsstatus erhalten sie weder die Einnahmen aus der Praxisgebühr noch die Anteile beim Einlösen des Rezepts.
Was spricht dafür?
Dass bislang nur rund zehn Prozent der Gesamtbevölkerung die Versicherten der 23 Kassen Nutzen aus der Software ziehen können, ist für die CompuGroup und die TK nicht nachvollziehbar. Die Gründe: Das Geld, was die Kassen in das System hineinstecken, holen sie bis zu einem Zehnfachen zurück, gibt sich Matthias Leu, Direktor der Abteilung Gesetzliche Krankenversicherung bei der CompuGroup, gegenüber dem DocCheck Newsletter sicher. Allein den Schaden, der durch die Angabe des falschen Zuzahlungsstatus entstehe, beziffere die TK auf 2,5 Millionen Euro, ergänzt Sprecher Hermann Bärenfänger. Zudem ist Leu zufolge keinerlei Aufwand für den Arzt mit dem System verbunden, dieser erhalte zweimal pro Monat auf einer CD-Rom die neuesten Informationen über ungültig gewordene Karten und Änderungen beim Zuzahlungsstatus. Die Ärzte könnten außerdem nach wie vor frei darüber entscheiden, ob sie einen Patienten, dessen Karte tatsächlich auffällig ist, behandeln oder nach Hause schicken, sagt Leu. Nicht zuletzt, so begründet die BKK Essanelle ihre Entscheidung für die Verax-Liste, hilft das System Unstimmigkeiten zu klären, an denen Patienten schuldlos sind.
Was spricht dagegen?
Kritiker der Liste überzeugen diese Argumente nur spärlich. Denn selbst die TK musste bei ihrer Juni-Bilanz eingestehen, dass Chipkartenmissbrauch durch die Software nur dann aufgeklärt werden kann, wenn die Karten ungültig sind. Gültige Karten, die an Bekannte oder Verwandte weitergegeben wurden, erkennt die Firewall nicht. Bis auf die AOK-Bremen halten sich die restlichen 16 Ortskrankenkassen, die mit 25 Millionen Versicherten beinahe ein Drittel der Bevölkerung betreuen, noch aus einem weiteren Grund zurück: Für Beginn des kommenden Jahres ist geplant, die elektronische Gesundheitskarte einzuführen. Diese Karte enthält ausreichend Merkmale zur Identifizierung des Versicherten, weiß Dr. Barbara Marnach vom AOK-Bundesverband. Für die Zwischenzeit die Verax-Liste einzuführen, lohne sich nicht mehr.