Die Ergebnisse der SMILES-Studie lassen hoffen: Die erste kontrollierte randomisierte Studie untersuchte, ob sich eine Ernährungsumstellung positiv auf die Entwicklung einer Depression auswirken kann. Die Autoren sehen großes Potenzial in dieser einfachen Therapieform.
In den letzten Jahren häuften sich die Hinweise, dass die Qualität der Ernährung und die Stimmungslage des Menschen irgendwie miteinander verknüpft sein könnten. Je nach Land und Kultur schwankt zwar die Vorstellung davon, was eine gesunde Ernährung ausmacht. Beobachtungsstudien zeigten jedoch, dass vor allem eine pflanzenbasierte Kost mit fettarmen Proteinen und Fisch mit einem geringeren Risiko für eine Depression einhergeht. Prozessierte Nahrungsmittel und stark gezuckerte Speisen und Getränke hingegen wurden immer wieder mit einem höheren Erkrankungsrisiko in Verbindung gebracht. Eine Depression ist eine komplexe psychische Erkrankung. Daher erscheint eine Behandlung über eine Ernährungsumstellung zunächst absurd. DocCheck hat einen Blick auf die aktuelle Studienlage geworfen.
Im Jahr 2013 erschien eine Studie1 in „BMC Medicine“, die zu dem Ergebnis kam, dass eine mediterrane Ernährungsweise kombiniert mit Nüssen das Risiko dafür senkte, drei Jahre später an Depression zu erkranken. Um herauszufinden, ob eine Ernährungsumstellung auch zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden kann, starteten Wissenschaftler in Australien die „SMILES“-Studie (Supporting the Modification of lifestyle In Lowered Emotional States). Nun wurden die Daten dieser ersten kontrollierten, randomisierten Studie zum Thema Depressionstherapie durch Ernährung veröffentlicht. Studienleiterin der SMILES Studie: Felice Jacka von der University of Melbourne © University of Melbourne
Die Wissenschaftler hatten 67 erwachsene Patienten, die unter einer schwere Depression litten, in ihre 12-wöchige Studie eingeschlossen. Zu den Einschlusskriterien gehörte ein Wert von mindestens 18 von 60 möglichen Punkten auf der Montgomery–Åsberg Depressionsskala. 55 dieser Patienten befanden sich bereits in Behandlung: 21 Patienten erhielten eine Psychotherapie in Kombination mit Antidepressiva, 9 erhielten ausschließlich eine Psychotherapie, 25 ausschließlich Antidepressiva. Alle eingeschlossenen Teilnehmer ernährten sich zudem schlecht. Sie wiesen allesamt 75 oder weniger Punkte von 104 bestmöglichen Punkten bei einer Ernährungsbewertung auf. Nach eigenen Angaben nahmen sie wenig Ballaststoffe, fettarme Proteine, Obst und Gemüse zu sich, dafür reichlich Süßigkeiten, prozessiertes Fleisch und salzige Snacks.
Die Teilnehmer wurden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt: In einer Gruppe erhielten die Patienten 7 individuelle Beratungsgespräche mit einem ausgebildeten Ernährungsassistenten. Die ersten 4 Gespräche erfolgten wöchentlich, die übrigen alle 2 Wochen. Der Fokus der Ernährungsberatung lag auf der qualitativen Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten. Die Teilnehmer durften sich zwar satt essen, wurden aber dazu angehalten, folgende Verzehrsempfehlungen zu befolgen:
Um die Mitarbeit der Studienteilnehmer zu erleichtern, erhielten sie die Hauptlebensmittel ihres neuen Ernährungsstils, sowie Rezepte und einen schriftlichen Ernährungsplan zum Nachlesen im Zuge der Beratungsgespräche. Die Kontrollgruppe erhielt im gleichen zeitlichen Umfang eine soziale Unterstützung. Diese bestand aus individuellen Gesprächen über Themen, die die Teilnehmer interessierten. Wer sich nicht unterhalten wollte, konnte die Zeit auch mit Karten- oder Gesellschaftsspielen verbringen.
Nach 12 Wochen verzeichnete die Gruppe mit der Ernährungsumstellung einen größeren Rückgang der depressiven Symptome als die in der sozial unterstützten Gruppe. 32 Prozent der Patienten in der Ernährungsgruppe konnten nach der 3-monatigen Studienphase eine Remission verzeichnen, in der sozial betreuten Gruppe waren es nur 8 Prozent. Der statistisch signifikante Unterschied beider Gruppen betrug 7,1 Punkte auf der Montgomery–Åsberg Depressionsskala. Für die Studienleiterin Felice Jacka liegen die Gründe auf der Hand: „Die Studienergebnisse beruhen auf dem Ausmaß der Ernährungsumstellung, nicht etwa auf Sport oder dem Körpergewicht. Je strikter die Teilnehmer den Ernährungsplan verfolgten, desto größer waren ihre Erfolge.“ Für Jacka, Präsidentin der “International Society for Nutritional Psychiatry Research”, öffnen die Studienergebnisse neue Türen bei der Behandlung von Depressionen. Denn nur etwa der Hälfte der Betroffenen könne mit momentan zugänglichen Therapien wie Antidepressiva und/oder Psychotherapien geholfen werden. „Daher brauchen wir dringend neue Therapieoptionen“, so Jacka.
Die Zusammenhänge leuchten theoretisch ein: Eine schlechte Ernährung fördert das Wachstum entzündungsfördernder Bakterien im Darm. „Eine Depression erhöht das Risiko für Adipositas, Typ-2 Diabetes und Herzerkrankungen. Umgekehrt erhöhen diese Erkrankungen auch das Risiko, an einer Depression zu erkranken. Eine Verbesserung des Ernährungsstils würde auch die Begleiterkrankungen positiv beeinflussen“, so Jacka. Möglicherweise bräuchten depressive Patienten zunächst Unterstützung bei der Umsetzung einer gesunden Ernährungsweise. Denn das Einkaufen und Zubereiten gesunder Lebensmittel erfordert eine Grundmotivation, die krankheitsbedingt bei depressiven Patienten nicht mehr vorhanden ist.
Eine Ernährungsumstellung, die die Zusammensetzung der Darmflora positiv beeinflusst, scheint im Vergleich zu den übrigen Interventionen bei Depressionen vergleichsweise einfach, und vor allem nahezu nebenwirkungsfrei zu sein. Ein weiterer, positiver Nebeneffekt der gesunden Ernährung: Die Patienten sparen Geld. Eine Analyse von 20 Studienteilnehmern der SMILES-Studie zeigte: Die ungesunde Ernährung kostete die australischen Patienten durchschnittlich 138 AU$, die gesunde nur 112 AU$. Einen Versuch wäre es wert.
Mediterranean dietary pattern and depression: the PREDIMED randomized trial Almudena Sánchez-Villegas et al.; BMC Med, doi: 10.1186/1741-7015-11-208; 2013 A randomised controlled trial of dietary improvement for adults with major depression (the ‘SMILES’ trial) Felice N. Jacka et al.; BMC Med, doi: 10.1186/s12916-017-0791-y; 2017 Can we vaccinate against depression? Graham A.W. Rook et al; Drug Discovery Today, doi: 10.1016/j.drudis.2012.03.018; 2012