Akute Magen-Darm-Erkrankungen stellen weltweit die vierthäufigste Todesursache dar. Hervorgerufen werden sie durch unterschiedlichste Bakterien, Viren und Parasiten. Welche Erreger lösen am häufigsten Gastroenteritis aus? Eine Übersicht.
Innerhalb von nur zehn Jahren stieg in Deutschland die Zahl der stationären Aufnahmen aufgrund einer infektiösen Durchfallerkrankung um mehr als das Doppelte an: Mussten 2001 noch ca. 130.000 Patienten mit Magen-Darm-Grippe im Krankenhaus behandelt werden, zählten die Mediziner 2011 schon mehr als 280.000 Betroffene. Für die Entstehung einer Magen-Darm-Grippe kommen viele Auslöser infrage. Woran leidet der Großteil der Patienten? Mit welchen Erkrankungen haben es Ärzte vorwiegend in den Praxen zu tun und welche sind in Kliniken das größte Problem? Die unterschiedlichen Ursachen von Magen-Darm-Grippe im Vergleich.
In der Arztpraxis sieht es folgendermaßen aus: Die häufigste, meldepflichtige Infektionskrankheit in Deutschland ist die Norovirus-Gastroenteritis – und das, obwohl die Erkrankungszahlen insgesamt leicht sinken. Im Jahr 2016 zählte das Robert-Koch-Institut knapp 85.000 Fälle, was einer Inzidenz von 103 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner entspricht. Die Anzahl der neu aufgetretenen Norovirus-Gastroenteritiden lag damit unter dem Median der letzten 5 Jahre (111 Erkrankungen/100.000 Einwohnern). Der Trend setzt sich fort: 2017 nahmen die Erkrankungszahlen weiter ab und sanken somit auf knapp 72.000 Krankheitsfälle. Seit 2011 werden ausschließlich labordiagnostisch gesicherte Infektionen an das Robert-Koch-Institut übermittelt. Davor wurden in die Falldefinition auch klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankungen ohne Labornachweis miteingeschlossen. Anzumerken ist noch, dass Gastroenteritiden, die durch Noroviren hervorgerufen werden, vor allem saisonal mit den höchsten Fallzahlen in den Wintermonaten auftreten. Insbesondere Kinder unter 5 Jahren erkranken häufig an der durch den RNA-Virus verursachten Magen-Darm-Grippe, deren typische Symptomatik aus schwallartigem Erbrechen besteht. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts lag die Inzidenz für 2016 bei knapp 600 Kinder unter 5 pro 100.000 Einwohner.
Die folgenden drei Krankheiten liegen was die Inzidenz betrifft nahe beieinander und teilen sich deshalb die Plätze zwei bis vier.
Hervorgerufen werden Gastroenteritiden, die in normaler Umgebung erworben, aber im Krankenhaus behandelt werden müssen, am häufigsten durch Bakterien der Gattung Campylobacter: Bei etwa 35 % der stationären Durchfallpatienten konnten Mediziner diesen Keim nachweisen. Auf Platz zwei mit 23 % lagen Norovirus-Gastroenteritiden. Platz drei und vier belegten die Salmonellose (20 %) und die Rotaviren-Gastroenteritiden (15 %). Herausgefunden hatte dies das Team um Andreas Jansen vom Robert-Koch-Institut, das für seine prospektive Kohortenstudie Daten von knapp 100 Erwachsenen, die zwischen 2005 und 2007 im Krankenhaus behandelt worden waren, analysiert hatte.
Bei einer bestimmten Erkrankung ist ein Aufwärtstrend erkennbar: EHEC-Infektion außer HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom): Seit Jahren nehmen die Fallzahlen in Deutschland zu, wobei es deutliche Unterschiede in den Bundesländern gibt. Besonders häufig erkrankten 2016 die Menschen aus Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Rheinland-Pfalz an einer EHEC-Infektion. Mit Ausnahme des EHEC/HUS-Ausbruchs in dem Jahr 2011 liegt die saisonale Erkrankungsspitze in den Monaten Juli bis September. Inzidenz: am häufigsten betroffen sind Kinder unter 5 Jahren.
Eine deutliche Abnahme der Erkrankungszahlen beobachtet das Robert-Koch-Institut seit 2001 bei der Shigellose. Im Jahr 2016 bzw. 2017 erkrankten nur ca. 400 Menschen. Damit ist die Zahl der Shigellosen im Vergleich zu 2015 um 25 % und im Vergleich zu 2001 um 75 % gesunken (ca. 570 bzw. 1600 Fälle). Allerdings gibt es womöglich mehr Betroffene als angenommen: Die Autoren der aktuellen Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple“ gehen von einer größeren Dunkelziffer aus. Denn Shigellen können in Stuhlproben nur wenige Stunden überleben. Daher bestünde die Gefahr, dass die Bakterien bei längeren Transportwegen nicht mehr nachgewiesen werden können. Besonders Kinder unter 5 Jahren und Erwachsene zwischen 25 und 39 Jahren erkranken häufig an der bakteriellen Infektionserkrankung, die durch wässrige bis blutige Durchfälle, Bauchkrämpfe und Fieber gekennzeichnet ist. Erwähnenswert ist außerdem, dass etwa sechs von zehn Shigellosen in Ländern wie Indien, Ägypten, Kuba und Marokko erworben wurden. Weitere Erkrankungen, bei denen der Trend nach unten geht:
Dem Robert-Koch-Institut gemeldete Gastroenteritiden. EHEC-Infektionen, Shigellose, Yersiniose, Giardiasis und Kryptosporidiose werden im nachfolgenden Diagramm genauer dargestellt.
Risikogruppe Reiserückkehrer Eine der häufigsten Infektionskrankheiten bei Fernreisen ist die Reise-Diarrhö. In Hochrisikogebieten wie Mittelamerika, dem tropischen Afrika oder Südasien erkranken 15 % bis 20 % der Urlauber, in anderen Regionen wie China oder der Karibik 8 % bis 15 %. Geht man von 100 Millionen Reisenden aus, trifft die Reise-Diarrhö jährlich etwa 40 Millionen Menschen. Besonders häufig leiden Jugendliche und junge Erwachsene unter der Durchfallerkrankung, deren wichtigsten Erreger enterotoxische Escherichia coli-Stämme, Salmonellen und Shigellen sind. Bei Diarrhöen, die zwei bis vier Wochen andauern, können auch Protozoen wie Entamoeba histolytica oder Giardia lamblia den Durchfall hervorgerufen haben. Bei Reiserückkehrern mit fieberhafter und/oder blutiger Durchfallerkrankung empfehlen die Autoren der Leitlinie daher eine Stuhldiagnostik auf:
Sowohl die Jahreszeit als auch das Alter der Patienten können erste Hinweise liefern, um welchen Erreger es sich bei einer Gastroenteritis handelt. Aufgefallen sind die jahreszeitlichen Schwankungen einer Mitarbeiterin des Institutes für Virologie, Infektiologie und Epidemiologie e. V. in Stuttgart [Paywall]. Elena Terletskaia-Ladwig und ihr Team hatten zwischen den Jahren 2002 und 2008 fast 100.000 Stuhlproben untersucht. Bei der Auswertung fiel ihnen bei einigen Erregern eine jahreszeitliche Schwankung auf. In den Wintermonaten (September-April) wiesen die Labormitarbeiter gehäuft Noroviren in den Stuhlproben nach. In den Monaten der höchsten Aktivität betrugen die Positivraten zwischen 10–49 %. Rotaviren dagegen traten meist zwischen Dezember bis Juni auf (Positivrate: 25-41 %). In den Sommermonaten (Juni-November) werden akute Magen-Darm-Grippen in den meisten Fällen von Bakterien hervorgerufen (Positivrate: 14-18 %). Giardia lamblia und Adenoviren dagegen fanden Terletskaia-Ladwig das ganze Jahr (Positivraten von 7-15 % bzw. 3-10 %). Neben der saisonalen Schwankung war der Erregernachweis auch vom Alter des Patienten abhängig. Säuglinge erkrankten laut Elena Terletskaia-Ladwig am häufigsten an Rota-, Noro- und Adenoviren. Bei Kindergarten- und Schulkinder dagegen wiesen die Labormediziner insbesondere in den Sommer- und Herbstmonaten vor allem bakterielle Erreger, meist Salmonellen- und Campylobacter-Spezies, nach. Bei älteren Menschen ging die Magen-Darm-Grippe am häufigsten auf eine Infektion mit Noro- und Rotaviren sowie toxinbildenen Clostridien difficile zurück.
Laut den Leitlinien ist die Kenntnis des genauen Erregers für die Therapie nicht immer notwendig. Für diese Aussage werden folgende Gründe genannt:
Nur unter bestimmten Voraussetzungen wie einem schweren Krankheitsverlauf, Immunsuppression, relevanten Begleiterkrankungen oder bei Personen, die beispielsweise in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten, ist es sinnvoll, den Krankheitserreger nachzuweisen. In so einem Fall empfehlen die Leitlinien eine Basisdiagnostik, die eine Untersuchung auf Campylobacter, Salmonellen, den potenziell schwer verlaufenden Shigellen und Noroviren umfasst.