Bachblüten, Misteln, Ayurveda: Auch in viele Apothekenregale haben alternative Heilmittel längst Eingang gefunden. Die Stiftung Warentest hat die Mehrzahl dieser Therapien jetzt glatt durchfallen lassen und damit eine kontroverse Debatte befeuert.
Wenn die Stiftung Warentest ein Produkt oder eine Produktgruppe durchfallen lässt, dann horcht die Republik auf. Erst kürzlich schaffte es der Vergleichstest einer ganzen Batterie verschiedener Olivenöls bis in die Hauptnachrichten des deutschen Fernsehens. Zu Recht: Die Deutschen lieben ihr Olivenöl, und wenn selbst das Bio-Öl von Kaisers nichts taugt, wem soll der aufgeklärte Konsument denn dann noch trauen? Jetzt haben die Berliner Warentester erneut einen Sturm entfacht: In dem von der Stiftung herausgebrachten Buch Buch Die andere Medizin werden fünfzig alternativmedizinische Verfahren aufs Korn genommen. Viele davon finden sich auch in den Regalen von Apotheken oder gehen beim Arzt über den Empfang. Ein Großteil fällt durch. Zwei Drittel der untersuchten Heilmethoden hätten keinen Einfluss auf die Gesundheit und seien als Therapien daher nicht geeignet, so die Stiftung. Lediglich ein Drittel erfährt Gnade, "als Ergänzung zur Schulmedizin", wie es so schön heißt.
Sprechen die Warentester aus, was viele nur zu denken wagen?
Bei der Beurteilung der einzelnen Verfahren von Ayurveda bis Homöpathie haben sich die Tester nicht auf ihren Bauch verlassen. Fachliteratur und Studienergebnisse wurden gesichtet und bilden die Grundlage der Bewertungen. Die Ergebnisse, zu denen das Buch kommt, ähneln denn auch jenen, zu denen systematische wissenschaftliche Untersuchungen in der Vergangenheit gekommen sind. Heikel sind sie dennoch. Denn auch wenn wohl eine Mehrheit der Angehörigen von medizinisch-pharmazeutischen Fachkreisen die Skepsis der Stiftung Warentest insgeheim teilen dürfte, so ist doch öffentliche Kritik an der Alternativmedizin selten. Die Gründe sind vielfältig: Das antrainierte Gefühl einer Pflicht zur Toleranz mag eine Rolle spielen. Die unbestreitbare Tatsache, dass sich mit Alternativmedizin in Apotheken und Praxen Geld verdienen lässt, trägt womöglich auch dazu bei. Und schließlich mögen die Versicherten die Alternativmedizin, und wer will schon seine Kunden verprellen? Ein gutes Beispiel für die gesamte Untersuchung ist die Homöopathie. Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit der Homöopathie befassen, finden in ihrer Summe keinen eindeutigen Effekt. Es gibt Studien, in denen das Verfahren günstig abschneidet und andere, in denen es durchfällt, was im Allgemeinen darauf hindeutet, dass die Wirkung jedenfalls nicht eindrucksvoll ist. Erst kürzlich hat eine Untersuchung, die in der Fachzeitschrift The Lancet publiziert wurde, die vermeintlichen Wirkungen der Homöopathie zu Placeboeffekten erklärt. In einem bisher nur als inoffizieller Entwurf vorliegenden Report der WHO schneidet die Homöopathie günstiger ab. Dieses Papier wird aber in der medizinischen Fachpresse in der Luft zerrissen, weil es wichtige Studien ignoriert und Metaanalysen nicht zur Kenntnis nimmt. Selbst ein unverdächtiger Leser wie der anerkannte Komplementärmediziner Professor Edzard Ernst aus Großbritannien ist der Auffassung, dass der Leser dieses WHO-Reports nicht gerade dazu gedrängt werde, an dessen Willen zur Objektivität zu glauben. Das National Center for Complementary and Alternative Medicine in den USA wird auf seiner Webseite drastischer: "Systematische Übersichtsarbeiten konnten nicht zeigen, dass Homöopathie eine erwiesenermaßen wirksame Behandlung bei irgendeiner Erkrankung wäre", heißt es dort. Die Warentester aus Berlin sind etwas vorsichtiger und gestehen dem Verfahren Hinweise auf therapeutische Effekte zu, die jedoch zu schwach seien, um die Methode ernsthaft zu empfehlen.
Politisch heikel wird's bei der Erstattungsfähigkeit...
Ebenfalls im Einklang mit der medizinisch-pharmazeutischen Mehrheitsmeinung wird einem anderen Alternativverfahren, der Akupunktur, eine nur sehr begrenzte Wirksamkeit bescheinigt. Unter anderem bei Fibromyalgie, Rückenschmerzen, Kniegelenksarthrose und Tennisellenbogen seien die Nadeln hilfreich, nicht jedoch bei Asthma, Tinnitus und Geburtsschmerzen. Beim derzeit so beliebten Ayurveda bleibt auch nicht viel vom Zauber: Die diagnostischen Methoden dieser Schule seien wenig geeignet, um Krankheiten oder Störungen zu erkennen. Einzelnen Hinweisen auf Wirksamkeit bestimmter ayurvedischer Arzneimittel stehen Sicherheitsbedenken entgegen, die aus der nicht standardisierten Zusammensetzung dieser Mittel resultieren. Kurz: Niemand kann sicher sein, was er eigentlich einnimmt. Die Stiftung Warentest hat mit ihrem Rundumschlag den Finger in eine Wunde der medizinischen Versorgungslandschaft in Zeiten der Mittelknappheit gelegt. Auf der einen Seite pocht die Politik lautstark darauf, dass von der Gesetzlichen Krankenversicherung nur bezahlt werde, was auch nachweislich etwas bringt. Zu diesem Zweck werden sogar eigens Einrichtungen wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin ins Leben gerufen, das etablierte Verfahren auf ihren durch Studien belegten oder nicht belegten Nutzen abklopft. Auf der anderen Seite gibt die GKV mit Billigung der Gesundheitspolitik jedes Jahr geschätzte zwei Milliarden Euro für alternativmedizinische Verfahren aus, die nicht durch jene Evidenz gestützt werden, die Einrichtungen wie das IQWIG für Medikamente nicht müde werden einzufordern.
Bizarre Allianzen: Pharmaindustrie outet sich als Homöopathiesympathisant
Es erstaunt vor diesem Hintergrund etwas, dass der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie einer der ersten war, der die Stiftung Warentest kritisiert hat. BPI-Geschäftsführer Henning Fahrenkamp lässt sich mit folgendem Satz zitieren: "Millionen von Menschen machen seit Jahren gute Erfahrungen mit der Homöopathie. Wenn die Stiftung Warentest jetzt das Gegenteil behauptet, verunsichert sie die Verbraucher". Die Pharmaindustrie als Schutzpatron der Pharmakritiker? Die Alternativmedizin bringt bizarre Allianzen hervor. Etwas verständlicher wird die BPI-Reaktion vor dem Hintergrund, dass auch Hersteller von Alternativverfahren im BPI vertreten sind. Eine Sprecherin des BPI betonte gegenüber dem DocCheck-Newsletter, man trete für Vielfalt ein und halte es nicht für zielführend, wenn Verfahren dämonisiert würden, mit denen die Patienten gute Erfahrungen machen. Das Paradigma der evidenzbasierten Medizin sei eben nicht alles. Ein Sprecher des vor allem größere Pharmafirmen vertretenden Verbands forschender Arzneimittelhersteller sieht das etwas differenzierter: Entscheidend sei, dass bei der Erstattungsfähigkeit durch die Gesetzliche Krankenversicherung nicht mit zweierlei Maß gemessen werde. Wenn an moderne und oft teure Arzneimittel eine hohe Latte angelegt werde, dann müsse die auch für Alternativverfahren gelten.