Pünktlich zu Beginn der Weihnachtszeit verkünden Forscher am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin eine gute Nachricht: dick ist nicht gleich dick. Wer sich bisher nur mit seinem Body Mass Index herumplagte, darf aufatmen - der BMI allein hat nämlich ausgedient. Entscheidend ist, wo das Fett sitzt.
Grund zur endlosen Euphorie aber besteht nicht: Die MDC-Mediziner achten einfach nur auf den Bauch ihrer Patienten - wer dort Fett ansetzt, läuft letzten Endes doch Gefahr, trotz gesunden BMI-Wertes die üblichen Adipositas-Erkrankungen zu erleiden. Wogegen dann ein echter Waschbrettbauch zu helfen scheint.
Bislang galt der BMI als zuverlässiger Indikator für das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen. Daran dürfte sich im Praxisalltag auch in Zukunft so schnell nichts ändern - aber vieles spricht dafür, dass der BMI Konkurrenz bekommt. Den MDC-Forschern zufolge ist nämlich entscheidend, an welchen Stellen der Körper das überschüssige Fett einlagert. Gefährlich scheinen dabei vor allem jene Fettdepots um Bauch und Taille zu sein. Was früher mit "Embonpoint" umschrieben und als Zeichen des Wohlstands angesehen wurde, bezeichnen Mediziner mittlerweile als abdominalen Adipositas - und verweisen auf die Gefahren hin, die runde Taillen bergen: Menschen mit dieser Form des Übergewichts sind besonders gefährdet, frühzeitig an den schweren Folgeerscheinungen der Adipositas zu erkranken.
Vorsicht vor Fettzellen des Bauches
Vor Jahren schon hatten Forscher festgestellt, dass Fettzellen eine Vielzahl von Substanzen produzieren, die direkt das Herz-Kreislauf-System und die Nieren schädigen. Dabei entdeckten sie, dass vor allem die Fettzellen des Bauchgewebes besonders stoffwechselaktiv und deshalb besonders gefährlich sind. Sie produzieren Hormone und Botenstoffe (Adipokine), die in großem Maße zu der Entstehung von Bluthochdruck und Stoffwechselstörungen wie Diabetes Typ 2 und erhöhten Blutfettwerten beitragen. Diese Erkrankungen werden unter dem Sammelbegriff metabolisches Syndrom zusammen gefasst. Neue wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse zeigen nun, dass vor allem abdominale Fettzellen Hormone und Botenstoffe produzieren, die an der Entstehung von Krankheiten des metabolischen Syndroms beteiligt sind.
Der Body Mass Index (BMI), der sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zweimal dividiert errechnet, besagt aber nichts über die eigentliche Fettverteilung im Organismus. Er gibt lediglich an, ob jemand zu dick ist - bezogen auf seine Körpergröße. Der wichtige Aspekt der abdominalen Fettzellen bleibt auf diese Weise beim BMI unberücksichtigt. Trotzdem hat sich der Wert etabliert: Als übergewichtig gilt, wer laut WHO einen BMI von mehr als 25 kg/m2, als adipös, wer einen BMI von 30 kg/m2 und darüber hat. Ein Mann von 1,80 m Größe und einem Gewicht von 81 kg hätte demnach einen BMI von 25 kg/m2, bei einem Gewicht von 97 kg betrüge sein BMI über 30 kg/m.
Waschbrettbauch als BMI-Ergänzung?
Genau diese Angaben scheinen nun nicht mehr auszureichen, wenn es um die Risikobewertung der Patienten geht. Denn wie die MDC-Forscher jetzt aufzeigen, kann jemand mit Traumwerten beim BMI trotzdem Gefahr laufen, die üblichen Adipositas-Erkrankungen zu erleiden - wenn sich der Speck übermäßig um Bauch und Hüfte anlagert.
Was für Laien humorig klingt, erweist sich in Wirklichkeit als handfestes, gesundheitsökonomisches Problem. Denn die volkswirtschaftlichen Kosten des schweren Übergewichts ("Adipositas") belaufen sich in Deutschland auf 530 Millionen Euro pro Jahr, bei Berücksichtigung der Begleiterkrankungen erhöht sich diese Zahl auf über fünf Milliarden Euro, wie Experten des GSF-Instituts für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen (IGM) attestieren. Jeder vermeidbare Adipositas-Fall entlastet das Gesundheitssystem - kumuliert - erheblich.
Mediziner sollten in Zukunft neben dem BMI auch auf die Fettverteilung ihrer Patienten achten, empfehlen daher die MDC-Wissenschaftler in Berlin. Bei ungünstiger Fettanlagerung bietet ein zugegebenermaßen mühsam antrainierter Waschbrettbauch womöglich den Ausweg aus der drohenden Gesundheitsmisere der Betroffenen - doch wer den hat, verfügt meist auch über einen exzellenten BMI.