Ein Ärztemangel ist absehbar, betonen Kassenärztliche Bundesvereinigung und Ost-KVen zunehmend nachdrücklicher. Der Handlungsbedarf sei riesengroß. Seitdem machen - zum Teil recht abenteuerliche - Vorschläge die Runde, wie dem drohenden Versorgungsnotstand beizukommen sei. DocCheck gibt einen Überblick.
Bestandsaufnahme: Der Ärztemangel wird kommen
Zunächst wiesen Ost-KVen auf die "dramatischen Ausmaße" des Ärztemangels in den neuen Bundesländern hin: Bis 2010 gäben 48,6 Prozent der Hausärzte in Sachsen-Anhalt altersbedingt ihre Zulassung zurück, auch in den meisten anderen neuen Bundesländern werde die 40 Prozent-Marke erreicht. "Es ist kurz vor zwölf", befand die KV Thüringen. Wenig später folgten die Ärztezahlen der KBV für Gesamtdeutschland. Die bevorstehende Entwicklung sei "beunruhigend", lautete das Fazit, denn bis 2015 stiege beinahe die Hälfte aller niedergelassenen Vertragsärzte - 57.230 - aus der ambulanten Versorgung aus. Auch in den Krankenhäusern sei mit mehr als 17.000 Abgängen zu rechnen, ermittelte der Autor der Arztzahlstudie und KBV-Mitarbeiter Dr. Thomas Kopetsch. Dies sei umso besorgniserregender als der Blick auf die Studentenzahlen im Fach Humanmedizin keine Besserung verspreche - denn nicht nur weniger entschieden sich mittlerweile für ein Medizinstudium, auch immer mehr Studenten brächen das Studium noch vor dem zweiten Staatsexamen ab, fand Kopetsch heraus.
Rezepte gegen den Ärztemangel: Die "gemäßigte" Variante
Keine "Patentlösungen", aber durchaus sinnvolle Handlungsoptionen zur Bekämpfung des Ärztemangels schlugen das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern und die dortige KV in einem "Masterplan zur Sicherung der ärztlichen Versorgung im Land" vor. Darin heißt es unter anderem, die finanzielle Förderung von Allgemeinmedizinern, die derzeit von Krankenkassen und KVen der Länder geleistet wird, solle über das Jahr 2006 hinaus weiterlaufen. Sinnvoll sei zudem, Jungmediziner durch von der KV geförderte Praktika auf dem Land frühzeitig an Ostdeutschland zu binden. Auch Maßnahmen zur Gewinnung ausländischer Ärzte werden im Masterplan als Option genannt.
Fordernder klangen da schon die Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft der Ost-KVen. Umsatzgarantien und andere Programme der KVen gegen den Ärztemangel reichten längst nicht mehr aus, was fehle sei ein Sofortprogramm für die neuen Bundesländer. Was die Ost-KVen damit meinten, brachte deren Sprecher Dr. Hans-Joachim Helming auf den Punkt: mehr Geld. 700 Millionen Euro seien notwendig, sonst ließe sich das jetzige Versorgungsniveau nicht länger halten. Denkbar sei, den Bedarf durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer zu finanzieren, Geld innerhalb des Gesundheitswesens "umzulagern" oder einen "Fonds" zu gründen, den "die Gesellschaft" zu finanzieren hätte.
Wenig später folgte ein "Politisches Sofortprogramm", allerdings nicht von der Regierung, sondern von der KBV. Zu den darin enthaltenen Vorschlägen zählten zwei, die speziell auf den Kampf gegen den Ärztemangel abstellen: zum einen die "Flexibilisierung der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit". Damit gemeint ist beispielsweise, die heutige Bindung der Vertragsärzte an eine Praxis zu lockern oder zu erlauben, dass Ärzte in einer Praxis "angestellt" sein dürfen. Auch Möglichkeiten, in Teilzeit zu arbeiten, müssten erleichtert werden. Zum anderen spricht sich die KBV dafür aus, die Vergütung von Ärzten in Ost und West schrittweise anzugleichen.
Rezepte gegen den Ärztemangel: Die "abenteuerliche" Variante
Auf sachliche - wenngleich umstrittene - Vorschläge folgten solche, bei deren Vorstellung sich bei so manchem innerer Widerstand regte. Dazu zählte beispielsweise der Vorschlag des AOK-Vorstandsmitglieds Johann-Magnus von Stackelberg, ein Pflichtjahr für junge Ärzte auf dem Land einzuführen. Denn, monierte Stackelberg, sollte es den KVen nicht mehr gelingen, die Versorgung zu gewährleisten, müsste man auch "zu unpopulären Maßnahmen greifen". Die Kritik seitens vieler Ärzteverbände folgte auf dem Fuße.
Bundesärztekammerpräsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe gefiel eine andere Idee: die der "rollenden Arztpraxen" auf dem Lande. Die KV eines jeden neuen Bundeslandes könne einen entsprechend ausgestatteten Bus bereitstellen, der den Aktionsradius der Landärzte erhöhe. Auch für diese Variante im Kampf gegen den Ärztemangel konnten sich nur wenige erwärmen.
Zu (vorerst) guter Letzt schlug der Deutsche Pflegerat vor, qualifizierte Pflegekräfte einfach "aufzuwerten". Sie könnten Wunden behandeln, Rollstühle verordnen oder eigene Pflegepraxen betreiben. Der ärztlichen Unterversorgung und einem hohen Anteil chronisch Kranker wäre damit sehr geholfen, zumal diese Form der Versorgung wohnortnäher und kostengünstiger sei. Die KBV lehnte den Vorschlag dankend ab.
Rezepte gegen den Ärztemangel: Die "Regierungsvariante"
Das Bundesgesundheitsministerium blieb zunächst hart. So verwies Ministerin Ulla Schmidt (SPD) anfangs lediglich auf das GKV-Modernisierungsgesetz, in dem Ärzten in den neuen Bundesländern unter anderem finanzielle Hilfen in Höhe von 15 Millionen Euro zugesagt worden seien. Später ließ sie erkennen, dass weitergehende Maßnahmen angedacht werden. So deutete eine Sprecherin an, ein Gesetz zur Flexibilisierung des Vertragsarztrechts sei bereits in Mache und werde eventuell noch diesen Winter eingebracht. Bis dahin darf gespannt auf weitere Varianten im Kampf gegen den Ärztemangel gewartet werden.