Menschen, die am krankhaften Schnarchen leiden, haben Grund zur Hoffnung: Ein seit mindestens 3000 Jahren bei den australischen Aborigines beliebtes Blasinstrument verspricht die Minderung des Schweregrades bei obstruktiver Schlafapnoe.
Schon seit Anbeginn der Zeit hallen die Töne des Didgeridoo durch die Weiten Australiens - das jedenfalls erzählen die Aborigines. Ungezählte Legenden ranken sich um die einzigartige Eukalyptus-Röhre, die, je nach Blastechnik, sowohl Musik als auch Tiergeräusche von sich geben kann. Forscher der Universität Zürich und der Züricher Höhenklinik Wald haben nun im Fachblatt British Medical Journal die therapeutische Wirksamkeit des Instruments beschrieben. Sie konnten zeigen, dass regelmäßiges Didgeridoo-Spielen den Schweregrad des krankhaften Schnarchens deutlich vermindert. Das Instrument, bei dem der Ton durch den Mund erzeugt wird, während der Spieler durch die Nase einatmet, könnte nach Ansicht der Mediziner Patienten zu Gute kommen, bei denen eine konventionelle Behandlung mit nächtlicher Überdruckatmung (CPAP-Therapie) nicht greift. Didgeridoo-Spielen sei in solchen Fällen "eine attraktive Alternative".
Wie so oft spielte der Zufall die entscheidende Rolle beim Auffinden der neuartigen Therapie. Alex Suarez aus dem Zürcher Oberland gehörte zu den Patienten, bei denen die Atmung im Schlaf nicht einwandfrei funktionierte; ihn quälten heftiges nächtliches Schnarchen, ein unruhiger Schlaf und entsprechende Müdigkeit am Tage. Nachdem Suarez jedoch regelmäßig und über mehrere Monate hinweg das Didgeridoo an die Lippen setzte, stellte er eine deutliche Besserung seiner Symptome fest. Untersuchungen im Schlaflabor der Zürcher Höhenklinik Wald bestätigten den Erfolg seiner Methode. Um den Zusammenhang auch wissenschaftlich korrekt nachzuweisen, führte daraufhin das Forschungsteam um Milo Puhan vom Horten Zentrum der Universität Zürich und Otto Brändli von der Züricher Höhenklinik Wald eine randomisierte, kontrollierte Studie durch. Die Wissenschaftler untersuchten, ob sich das Didgeridoo-Spielen tatsächlich auf Folgeerscheinungen des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms wie vermehrte Tagesmüdigkeit und Störung der Schlafpartner auswirke. Dazu teilten die Forscher 25 Patienten mit leichtem Schlafapnoe-Syndrom nach dem Zufallsprinzip entweder in die Didgeridoo-Gruppe oder eine Kontrollgruppe ein. Nach viermonatigem Spielen zeigten die Didgeridoo-Spieler eine signifikant geringere Tagesmüdigkeit als die Teilnehmer in der Kontrollgruppe. Die Schlafuntersuchungen bestätigten auch objektiv eine Verminderung des Schweregrads des Schlafapnoe-Syndroms. Zusätzlich fühlten sich die Partnerinnen und Partner der Studienteilnehmer deutlich weniger gestört.
"Bei Patienten mit einem Schlafapnoe-Syndrom sind die Muskeln, welche die oberen Atemwege offen halten, schwächer ausgebildet. Beim Didgeridoo-Spielen wird genau diese Muskulatur dank der speziellen Atemtechnik stark beansprucht und trainiert", erklärt Otto Brändli das Phänomen.
Ur-Instrument, neue Therapie?
Die heilende Wirkung des Ur-Instruments eröffnet nach Meinung der Ärzte vollkommen neue Perspektiven in der Behandlung des Schnarchens. Denn das Spielen ermöglicht es offenbar dem Patienten, die oberen Atemwege besser offen zu halten. Zudem liegt der besondere Reiz der Therapie in der Musik selbst: Ein Didgeridoo zu spielen ist einerseits relativ einfach, andererseits empfinden viele Menschen die Töne als entspannend und wohltuend. Im Vergleich dazu erscheint die herkömmliche CPAP- Therapie geradezu als Tortur, denn hierbei müssen Patienten nachts eine Nasenmaske tragen, über die sie mit Raumluft beatmet werden. "Solche Therapien scheitern oft daran, dass sie für die Patienten belastend sind und nach kurzer Zeit wieder abgebrochen werden", meint Brändli.
Musikalisch betrachtet gelangte das Didgeridoo schon einmal ins Bewusstsein der westlichen Welt. 1998 katapultierte sich die Acid-Jazz-Band Jamiroquaizum mit dem Hitsingle "Deeper Underground" in die Charts; im Godzilla-Remake ertönte der Titel als Soundtrack. Die Ergebnisse der Schweizer Forscher könnten den Bekanntheitsgrad und die Verbreitung des Didgeridoo noch steigern. Immerhin schnarcht Schätzungen zufolge jeder Zweite, und allein hierzulande leiden über eine Million Menschen unter obstruktiver Schlafapnoe.