Röntgenaufnahmen des Brustkorbs - manchmal sogar mehrmals im Jahr. Eine solche Strahlenbelastung könnte Lungenkranken dank einer neuen Entwicklung aus Israel erspart bleiben. Wie ein digitales Stethoskop zeichnet "Vibration Response Imaging" die Geräusche des Luftstroms beim Ein- und Ausatmen auf und stellt sie bildlich dar.
Weder Röhre noch Röntgenapparat sind im Raum zu sehen. Für ein Lungenbild sitzt der Patient auf einem Hocker, vor ihm ein kleiner Kasten auf Rollen. Zwei Kabel, an denen je 21 Saugnäpfe mit Sensoren hängen, führen zum Rücken des Patienten. Zwei tiefe Atemzüge, und die Prozedur ist vorüber. Auf dem Bildschirm erscheinen die Lungenflügel als grau-schwarze Flecken, die sich mit dem Luftstrom des Ein- und Ausatmens verkleinern und vergrößern.
Geräusche werden zu Bildern
Die neue Technik heißt "Vibration Response Imaging" (VRI), und meint die bildgebende Darstellung von Schwingungsresonanzen, die durch die strömende Luft in der Lunge entstehen. Der Vorteil: Die Untersuchung arbeitet ohne Strahlung und liefert eine Serie von Bildern, die nicht nur Strukturveränderungen zeigt, sondern auch Informationen über die Lungenfunktion in Echtzeit liefert.
Hochempfindliche Mikrophone auf dem Rücken des Patienten fangen die Schwingungen des Lungengewebes und seiner Umgebung beim Atmen auf. Die dazugehörige Software wandelt die Signale in Grautöne um, die auf dem Bildschirm erscheinen und gleich abgespeichert werden können. Alle 0,2 Sekunden entsteht dabei ein neues Bild, sodass Arzt und Patient die Wege des Luftstroms zu jedem Zeitpunkt des Atemzugs erkennen. Ist er behindert, so bleibt das Bild in dieser Region weiß.
Wenn es nach den Entwicklern der israelischen Firma "Deep Breeze" geht, liegt in der VRI-Technologie die Zukunft der Lungendiagnostik und soll belastende Röntgenaufnahmen , aber auch aufwändige Methoden wie die Kernspintomographie ablösen, wo immer es möglich ist. Das digitale Abhören der Lunge hilft sowohl bei der Diagnose als auch bei der Therapiekontrolle verschiedener Erkrankungen, wie Asthma, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung oder Pleuraerguss. Bei Lungentransplantationen stellt das System nach Ansicht vom Professor Mordechai Kramer vom Rabin Medical Center in Tel Aviv einen enormen Fortschritt da: "Wir können nun die Lungenfunktion unserer transplantierten Patienten viel effektiver und ohne invasiven Eingriff bestimmen." Dem Chirurgen zeigt das Bild auf dem Monitor genau, wo er sein Messer ansetzen muss.
Erfolgversprechende Studien
Die Idee, das Stethoskop als eines der ältesten noch gebräuchlichen ärztlichen Instrumente zu digitalisieren, kam dem Kinderarzt Igal Kushnir vor etwa fünf Jahren. Bisherige Versuche scheiterten jedoch immer an der Umsetzung in entsprechende Algorithmen. Aus der Zusammenarbeit mit dem Mathematiker Meir Butbul entstand es innerhalb weniger Wochen ein Programm, das erstmals ein Bild einzelner Lungenlappen entsprechend den Lungengeräuschen darstellte.
Nach vielversprechenden Ergebnissen kleinerer Studien in Israel, Großbritannien und den USA möchte sich "Deep Breeze" nun auch den deutschen Markt erschließen. Wenn die entsprechenden Ethikkommissionen zustimmen, sollen größer angelegte Untersuchungen in den nächsten Wochen in Heidelberg, Fürth und Hannover beginnen. Läuft alles gut, könnte es in einigen Jahren sogar in kleineren Arztpraxen heißen: "Zweimal tief durchatmen - Aufnahme läuft"!