Jedes vierte deutsche Krankenhaus steht vor dem Aus. Der wirtschaftliche Druck wird sich weiter drastisch verschärfen: Ein Gros hat bislang noch keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um im zunehmend harten Wettbewerb das Überleben zu sichern - dabei gibt es innovative Auswege aus der Krise.
Die Zahlen gleichen einem Fiasko. Wenn nichts geschieht, wird allein in Deutschland jede vierte Klinik innerhalb der nächsten 15 Jahre vermutlich schließen müssen. Von den rund 2100 Krankenhäusern, die hierzulande derzeit über 1,1 Millionen Menschen einen Job bieten, sind etwa 525 Häuser bedroht. Unwirtschaftlich, ineffektiv, zu teuer - über die Ursachen der Krise sind sich Experten seit Jahren einig.
Umweltschutz als Chance
Was indes kaum jemand erwartet: Umweltschutzmaßnahmen im Krankenhausalltag könnten die marode Kliniklandschaft retten. Die Energieagentur NRW beispielsweise rechnet damit, dass Kliniken bis zu 40 Prozent der Kosten für Energie einsparen könnten. Anlass für das Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene (IUK) des Universitätsklinikums Freiburg, in Kooperation mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) am 22. März in Osnabrück in einer Fachtagung gleich eine Vielzahl von "modellhaften Praxisbeispielen" vorstellen zu wollen. Tatsächlich sieht das IUK im Umweltschutz die Chance, Gelder für Ressourcen und Materialien einzusparen und so finanzielle Spielräume für eine bessere Versorgung der Patienten zu schaffen.
"Dadurch, dass wir nur noch festgelegte Pauschalbeträge je nach Krankheitsbild abrechnen dürfen, hat sich das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen von Patienten, Betreibern, Kostenträgern und Gesellschaft noch verstärkt", erklärt Franz Daschner, IUK-Direktor und Träger des Deutschen Umweltpreises 2000. Krankenhäuser seien deshalb mehr denn je gefordert, die Nachhaltigkeit ihrer Gesundheitsdienstleistungen zu optimieren.
"Es gibt viele Einzelbausteine, die sich zum gesunden Krankenhaus zusammenfügen", erklärt Daschner. Routinemäßige Desinfektionsmaßnahmen etwa könnten auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. In Freiburg beispielsweise fänden sie derzeit nur noch in den Operationssälen statt, in allen anderen Bereichen erfolge stattdessen eine gezielte Desinfektion. Das Universitätsklinikum spare auf diese Weise jährlich rund 32.000 Euro und leite 2,7 Tonnen Desinfektionsmittellösung weniger ins Abwasser ein. Auch könne Klinikpersonal mir Mehrwegprodukten wie wieder verwertbaren Infusionsflaschenhaltern sparen.
Krankenhäuser als Gesundheitszentren
Auch wenn solche Maßnahmen Gelder einsparen helfen, eine Rettung der Kliniken bedeuten sie in alleiniger Anwendung noch lange nicht. Langfristig müssen sich nämlich Krankenhäuser nicht nur bei der Verwendung von Energie und Ressourcen umorientieren. Es geht um vollkommen neue Konzepte. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young kam vor einem Jahr zu dem Schluss, dass erst die Umwandlung zu Wellness- und Gesundheitszentren den eigentlichen Ausweg aus der Krise darstellen kann. "Die heutigen Krankenhäuser werden in den kommenden Jahren vernetzte Einheiten bilden, die einerseits aus den einzelnen Abteilungen des traditionellen Krankenhauses und andererseits aus ambulanten und weiteren gesundheitlichen Dienstleistungsbereichen entstehen", heißt es dazu bei Enrst & Young.
In einem viel beachtetem Papier mit dem Titel "Konzentriert. Marktorientiert. Saniert. Gesundheitsversorgung 2020" erklärten die Experten, dass Unternehmen, die sich als so genannte 360°-Anbieter profilieren, dem Kunden von der ambulanten über die stationäre bis hin zur präventiven Versorgung ein komplettes Gesundheits- und Wellnesspaket anbieten werden.
Der Studie zufolge könnten die größten dieser Einrichtungen auch für Investoren zum Objekt der Begierde avancieren: sie werden renditestarke und erfolgreiche Aktiengesellschaften sein. "Aus Institutionen und Anstalten werden in den kommenden Jahren Gesundheitszentren, die mehr einem Hotel als den herkömmlichen Krankenhäusern gleichen", prognostiziert daher Nils Söhnle, Partner bei Ernst & Young und Leiter des Bereiches Health Care, und: "Die Grenzen zwischen Medizin und Lifestyle werden verwischen."
Tatsächlich werden die Ausgaben für die gesundheitliche Versorgung - ohne die Berücksichtigung der Ausgaben für Fitness, Wellness und Wohlbehagen - bis zum Jahr 2020 von heute 234,2 Mrd. Euro auf ca. 500 Milliarden Euro wachsen. Wer als Krankenhauschef seine Einrichtung am großen Kuchen teilhaben lassen möchte, sollte schon heute die richtigen Weichen stellen, und in High-Tech-Medizin investieren. Wer das hingegen verpasst, ist dem Papier zufolge faktisch abgeschrieben. So dürften aufgrund der mangelnden technologischen Ausstattung, der "begrenzt vorhandener Innovationsbereitschaft und -fähigkeit sowie der oft weit unterdurchschnittlichen Wirtschaftlichkeit" zwei Drittel aller öffentlichen Krankenhäuser ihre Pforten schließen - oder in private Hände übergehen. Ihre Zahl würde demnach von etwa 720 heute auf rund 225 im Jahr 2020 sinken. Des einen Leid, das anderen Freud': die Zahl privater Krankenhäuser wird im gleichen Zeitraum um 44 Prozent ansteigen - und bei etwa 675 Einrichtungen liegen.