Nach der FLAME-Studie hat sich in puncto COPD-Therapie viel getan. Nun wurden auch die GOLD-Leitlinien diesbezüglich überarbeitet. Die Modifizierung ist keine Kosmetik, sondern eine Totaloperation – seit 2011 gab es keine derart gravierende Veränderung.
Die FLAME-Studie vom Juni 2016 hat zu einem Paradigmenwechsel in der COPD-Therapie geführt. Die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) bietet das Update ihres Strategie-Papiers („GOLD 2017 Report“) zum kostenfreien Download. Der Report hat allein mehr als 1.000 Literaturzitate.
Die geänderte Definition trägt der Tatsache Rechnung, dass außer den Bronchien auch das Lungenparenchym betroffen ist und neben der Inflammation auch andere Ursachen eine COPD bedingen können. Jetzt wird nicht nur auf die Atemflussbehinderungen eingegangen, sondern auch auf die Persistenz der Symptome. In den vorigen GOLD-Strategien wurde noch die Inflammation bei COPD erwähnt. Nicht nur die FLAME-Studie hat gezeigt, dass dies eindeutig überbewertet ist. Die Entzündung wurde aus der Definition getilgt und es wird über „Auffälligkeiten von Atemwegen und/oder Alveolen“ („airway and/or alveolar abnormalities“) gesprochen. Symptomatische tabakrauchende Patienten, die eine normale Lungenfunktion aufweisen, werden in der neuen Definition nicht berücksichtigt. Das ist weder COPD-mite noch Asthma-forte. „Keine Diagnose ohne Spirometrie“ ist einer der Kernsätze des Strategiepapiers.
Im Jahr 2011 wurde die bekannte und viel diskutierte 4-Feldertafel mit den Aspekten Symptomatik, Exazerbation und Atemflusseinschränkung etabliert. Für die Prognose der Mortalität und anderer Zielgrößen war das Schema allerdings nicht verwertbar. Vielmehr hat die zweidimensionale Darstellung der drei Kenngrößen mit einer X- und zwei Y-Achsen unter den Ärzten teilweise für Verwirrung gesorgt. Die überarbeitete Version soll jetzt Klarheit schaffen: Es erfolgt die Klassifizierung getrennt nach dem Grad der Einschränkung der Lungenfunktion (Grad 1-4) und Symptomen und der Exazerbationshistorie (Kategorien A-D). Für die Pharmakotherapie spielt jetzt ausschließlich A-D eine Rolle. Der Spirometriebefund ist neben der Diagnose weiterhin für die Prognoseabschätzung weiterer Maßnahmen wie einer Lungenvolumenreduktion oder Lungentransplantation bedeutsam. Ein Patient mit einer FEV1 von 55 Prozent, zahlreichen Symptomen und zwei Exazerbationen im vergangenen Jahr gehört demnach zur Gruppe 2D .
Wie zu erwarten wurde der Abschnitt der Pharmakotherapie gründlich überarbeitet. Es wurde jedoch ein Konsens gefunden, der zugunsten der Praktikabilität etwas unausgeglichen bleibt. Dem Kliniker werden die Empfehlungen hinsichtlich der Einschränkung von inhalativen Kortikoiden (ICS) evtl. nicht weit genug gehen, dem Arzt in der Praxis möglicherweise zu weit. Bisher wurden nur Empfehlungen für die Initialtherapie ausgesprochen, jetzt werden auch zahlreiche Szenarien von unterschiedlich vorbehandelten Patienten besprochen. Für jedes der Felder A-D werden eigene Therapiealgorithmen und Eskalationskonzepte sowie eine Deeskalationsstrategie empfohlen. Kernpunkt dabei ist das Absetzen der ICS. Die Hürde, einen „frischen“ COPD-Patienten ICS an die Hand zu geben, ist extrem gestiegen. Die Praxis zeigt, dass zahlreiche COPD-Patienten mit leichter bis mittelgradiger Erkrankung überversorgt, die schweren Stadien jedoch relativ unterversorgt sind. Nach der FLAME-Studie wurde die Kombination aus langwirksamen Betaagonisten (LABA) und langwirksamen Muscarinantagonisten (LAMA) enorm gestärkt. Eine wichtige Kernaussage: „Eine LAMA/LABA-Therapie ist bevorzugte Behandlungsoption für COPD-Patienten in den GOLD-Stadien B-D“.
Beim Kongress Pneumo-Update Ende 2016 in Wiesbaden bezog Prof. Dr. Claus Vogelmeier, der am Universitätsklinikum Marburg die Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie leitet, klar Stellung: „Bei einer Eosinophilenzahl über 400 und mehr als zwei Exazerbationen erkauft man sich durch das Weglassen des ICS ein höheres Exazerbationsrisiko“. Es scheint einen Zusammenhang zu geben zwischen einer Eosinophilie und der Wahrscheinlichkeit, dass ein ICS wirkt. Aber wir haben noch keine belastbaren Grenzwerte. Zahlreiche internationale Experten sprechen sich ebenfalls für eine Restriktion der ICS aus. Sie steigern das Risiko für eine Pneumonie. Vogelmeier erwähnte, dass die WISDOM-Studie bereits im Jahr 2014 erbrachte, dass ein Ausschleichen der ICS zahlreichen Patienten nicht schade. Eine Indikation für die Weiterführung der ICS-Therapie besteht:
Aufgewertet wurde hingegen die Option der PDE-4-Hemmung. Orale PDE4-Hemmer (Roflumilast) werden als add-on-Therapie für COPD-Patienten mit chronischer Bronchitis und Atemwegseinschränkungen genannt, wenn eine kombinierte Bronchodilatorentherapie in Verbindung mit einem inhalierbaren Kortikoid die Exazerbation nicht ausreichend beeinflusst.
Wohl bei keiner anderen Arzneiform ist das Device so eng mit der Wirksamkeit verknüpft, wie bei Pulverinhalatoren und Dosieraerosolen. Partikelgröße, Widerstand, Treibmittel, Deponierungs- und Verwirbelungsgrad – diese und viele weitere Faktoren beeinflussen maßgeblich die Effizienz. Selbst langjährige Asthma- und COPD-Patienten wenden ihre Mittel fehlerhaft an. Da kommt es schon mal vor, dass Kapseln für den Inhalator geschluckt, Sprays falsch herum gehalten werden und, ein häufiger Fehler, der Kopf des Patienten bei treibgashaltigen Aerosolen nicht nach oben geneigt wird. Im GOLD-Papier wird ausdrücklich die Bedeutung der richtigen Inhalationstechnik betont. Ärzte und Apotheker sind hier gefordert, eine effiziente Schulung zu betreiben: Instruieren – kontrollieren – korrigieren. Zitat aus dem GOLD-Papier: „the best inhaler for COPD is the one a patient can afford, understand, agree with and will use regularly“.
Auch in den neuen Empfehlungen wird nicht der Body-Mass-Index und die Dyspnoeausprägung im Sechsminuten-Gehtest berücksichtigt. Diese Parameter finden sich im BODE-Score wieder. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Option in den neuen Deutschen Leitlinien wiederfinden wird, diese ist überfällig und sollte am 31. Januar 2017 veröffentlich werden.
Es klingt so einleuchtend, bei einer Erkrankung, bei der der Patient unter einem Sauerstoffdefizit leidet, diesen einfach zu substituieren. „Die Studie hat eingeschlagen wie eine Bombe“, so Vogelmeier beim Pneumo-Update-Kongress und bezieht sich damit auf eine Analyse zum Sinn der Sauerstoffgabe bei COPD-Patienten. „Nur bei Patienten, die glasklar eine substanzielle Hypoxie haben, ist dies notwendig“, so der Pneumologe. Patienten mit leichter oder mittlerer COPD haben keinen zusätzlichen Nutzen von einer Langzeitsauerstofftherapie. Sie ist weder lebensverlängernd, noch zögert sie eine Hospitalisation hinaus. Die multizentrische Studie der amerikanischen LOT-Forschungsgruppe schloss insgesamt 738 Patienten mit stabiler COPD ein. Es zeigte sich kein deutlicher Unterschied zwischen den Gruppen, weder hinsichtlich Überlebensdauer oder Zeit bis zum ersten Krankenhausaufenthalt, noch bezüglich der anderen untersuchten Parameter. Unterschiede ergaben sich lediglich für instabile COPD-Patienten, die ein bis drei Monate vor Studienbeginn bereits eine Exazerbation erlitten hatten sowie bei Patienten über 71 Jahre. Auch die nicht-medikamentösen Maßnahmen sind von entscheidender Bedeutung. Zu den wichtigsten und bekanntesten zählen:
Auch End-of-Life-Strategien werden als palliativmedizinische Aspekte berücksichtigt.