Vor mehr als 200 Jahren beschrieb James Parkinson die Symptome des gleichnamigen Nervenleidens - und noch immer ist die von ihm entdeckte Erkrankung nicht heilbar. Konventionelle Therapien sind zwar in der Lage, die Symptome zu lindern bzw. zu verzögern. Der große Durchbruch steht jedoch noch aus. Neue Ansätze aus der Gentechnik sollen nun aus der therapeutischen Sackgasse führen.
Progenitorzellen als Pillenschmuggler
Clive Svendson, anerkannter Neurowissenschaftler an der University of Wisconsin-Madison, stellte kürzlich eine Methode vor, die Parkinson-Patienten Hoffnung auf Heilung macht. Er schaffte es mit seinem Team, erstmalig Medikamente zur Wiederherstellung von Neuronen an der Blut-Hirn-Schranke vorbei in die Substantia nigra zu "schmuggeln". Die im Journal "Gene Therapy" veröffentlichte Studie beschreibt, wie sich modifizierte Vorläuferzellen über alle Barrieren hinweg als" Pillentransportmittel" im Gehirn nutzen lassen. Für die Gewinnung der Progenitorzellen nutzten die Wissenschaftler humanes fetales Hirngewebe. Die Herausforderung bestand schließlich darin, die transplantierten Vorläuferzellen dazu zu bringen, den Wachstumsfaktor GDNF (glial cell line-derived neurotrophic factor) in der geschädigten Gehirnzone zu produzieren und auf diese Weise die Ausschüttung von Dopamin zu reaktivieren. Dopaminmangel in der Substantia nigra gilt als wichtigste Ursache der Parkinson-Krankheit.
Stopp von Parkinson mit Wachstumsfaktoren
Der Wachstumfaktor GDNF, eine so genannte neurorestaurative Substanz, wird seit mehreren Jahren in der Forschung als eine von diversen Möglichkeiten genutzt, die Fähigkeit der Nervenzellen zur Produktion von Dopamin wiederherzustellen. In einigen vielversprechenden, klinischen Versuchen war festgestellt worden, dass die Parkinson-Symptome mit diesem Medikament gemildert bzw. sogar gestoppt werden können. Allerdings verhinderten Zweifel an der Sicherheit bisher die Freigabe von GDNF. Ungeachtet dessen gelten Wachstumsfaktoren weiterhin als probates Heilmittel, das es zu erforschen gilt. So sorgte ein Experiment der Wissenschaftler um Professor Seth Love von der Bristol University für große Aufmerksamkeit in Fachkreisen. Die Forscher konnten definitiv nachweisen, dass der Verlust von Nervenfasern mit GDNF rückgängig gemacht werden kann. Das Molekül wurde zu diesem Zweck über einen Katheter kontinuierlich infundiert - eine eher problematische Verabreichnungsform des Medikaments.
Regenerative Dopamin-Produktion im Gehirn
Clive Svendsen und seinem Team war es daher auch wichtig, eine einfachere Methode zu entwickeln. Die Wisconser testeten ihre neue Strategie an Ratten- und Affengehirnen mit Parkinson-Syndrom. Es gelang ihnen, die GDNF absondernden Zellen in das Striatum - die Gehirnzone, die Bewegung, Balance und das Gehen kontrolliert - per Injektion, d.h. weitaus weniger invasiv, zu implantieren. Wie erwartet, forcierte das Medikament das Wachstum von neuen Nervenfasern und deren Transport zur Substantia niagra. Auf diese Weise ließ sich laut Clive Svendsen die Dopamin-Produktion in den Tiergehirnen wieder ankurbeln. Die transplantierten Zellen überlebten im Labor bis zu drei Monate. Bevor diese Technik allerdings bei Parkinson-Patienten oder neurodegenerativen Erkrankungen angewendet werden kann, ist eine weitere Hürde zu nehmen. Das Zellwachstum muss kontrollierbar bleiben, so Clive Svendsen. D.h., es ist eine Methode zu entwickeln, mit der die Expression der transplantierten Stammzellen quasi per Tastendruck an- oder ausgeschaltet werden kann.
Schweizer Fernsteuerung der Genexpression
Abhilfe lieferten Schweizer Wissenschaftler aus Lausanne mit einer kürzlich vorgestellten Methode, die die genetische Forschung in Zukunft ganz erheblich vereinfachen soll. Das Swiss Federal Institute of Technology unter Professor Patrick Aebischer präsentierte in Nature Methods ein Tool, mit dem in einem einzigen System die genetische Manipulation von Stammzellen ein- und ausgeschaltet werden kann. Das bahnbrechend Neue an der Erfindung ist laut Assistent Dr. Romain Zufferey die Kombination mehrerer Genmanipulations-Technologien in einem einzigen lentiviralen Vektor, dem Transportsystem der Expression von Genen. Die unterschiedlichen Systeme, die von den Schweizern zu einem Tool zusammengefaßt wurden, werden bereits an vielen Laboratorien genutzt. Ihr Nachteil ist, dass, bedingt durch die Trennung der verschiedenen Verfahren, die Lebensdauer der manipulierten Moleküle auf eine Stunde begrenzt ist. Durch die Kopplung von RNA interference und Lentiviren gelang es den Schweizern, die Expression dauerhaft zu verankern und nur durch die gezielte Verabreichung von Antibiotika wieder aus- oder einzuschalten. Das Modell befindet sich im vorklinischen Test an Ratten und Affen.
Ethische Bedenken bei embryonalen Stammzellen
Da sich die Tests noch im vorklinischen Stadium befinden, werden Parkinson-Patienten sich noch ein bisschen gedulden müssen. Wie lange, will keiner so recht sagen. Als problematisch könnte sich auch erweisen, dass die Therapie mit embryonalen Stammzellen auf breite Kritik stößt. Zu welchen Konsequenzen die ethischen Bedenken letztlich führen, steht nicht fest. Neurologen wie Professor Heinz Reichmann, Neurologische Universitätsklinik an der TU Dresden, haben deswegen schon vor Jahren empfohlen, über die Verwendung von Nabelschnurblut oder von adulten Stammzellen aus dem Knochenmark nachzudenken.