Nach einem missglückten ersten Versuch vor einigen Jahren kommt jetzt erneut ein Rotavirus-Impfstoff in die Apothekenregale. Das Ziel: Fiese Durchfallerreger sollen künftig durchfallen. Der nächste Stopp des Impfkarussells könnte dann das Mittelohr sein.
Rotaviren gehören zu den Dämonen von Kindergärten und Kindertagesstätten. Für Eltern können sie zu einem medizinischen Albtraum werden, weil die von ihnen verursachten Durchfälle mitunter so schwer verlaufen, dass die Kinder in der Klinik landen. Die Übertragung von Kind zu Kind geht ruckzuck. Vor allem jene Altersstufen, in denen die Kleinen sich und anderen überall hinfassen und alles in den Mund stopfen sind gefährdet. Es ist deswegen wenig erstaunlich, dass sich die Industrie seit Jahren um einen Rotavirus-Impfstoff bemüht. Gleich zwei davon dürften demnächst auch in die Apothekenregale kommen.
Bisher wurde keine Zunahme an Invaginationen beobachtet
Der erste derartige Versuch ist das nicht. Schon in den späten 90er Jahren gab es mit der Rotavirus-Vakzine RotaShield® von Wyeth Lederle einen Impfstoff, der die Zulassungsklippen umschiffte und auf dem Markt eingeführt wurde. Nach wenigen Monaten aber war schon wieder Schluss. Wie die Paul Ehrlich-Gesellschaft berichtete, führte die Impfung bei einem von 2000 Säuglingen zu tödlichen Darminvaginationen. Bei einer Erkrankung, die zumindest in den Industrienationen praktisch nie tödlich verläuft, war das entschieden zu viel. Ein viel größeres Problem mit Rotaviren haben freilich die Entwicklungsländer, wo Schätzungen zufolge etwa eine halbe Million Kinder pro Jahr an der Erkrankung sterben. Und so gaben die Forscher nicht auf. Das Resultat der Bemühungen sind die beiden Impfstoffe Rotarix® von GlaxoSmithKline und RotaTeq® des US-Konzerns Merck, der in Deutschland in der Impfstoffsparte als Sanofi Pasteur MSD auftritt. Rotarix® ist gerade von der Europäischen Zulassungsbehörde EMEA positiv bewertet und abgenickt worden. RotaTeq® dagegen hat die FDA-Zulassung in den USA bekommen. Beide Impfstoffe haben ihre Wirksamkeit und Sicherheit in Großstudien mit jeweils über 60.000 Säuglingen unter Beweis gestellt, die Anfang des Jahres im New England Journal of Medicine publiziert wurden. Sowohl RotaTeq, ein gentechnisch hergestellter, pentavalenter Impfstoff, als auch Rotarix, ein attenuierter Lebendimpfstoff, haben dabei einen hohen Prozentsatz der Rotavirusinfektionen verhindern können, darunter praktisch alle schweren Verläufe. Invaginationen traten in beiden Studien nicht häufiger auf als unter Placebotherapie. Kritik am hohen Preis des Merck-Präparats kam von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft. Der WHO stünden dank finanzieller Unterstützung von Bill Gates etwa 3,50 US-Dollar pro zu impfendem Kind in den Entwicklungsländern zur Verfügung. Das ist etwa ein Fünfzigstel dessen, was die drei Schluckimpfungen des Präparats in den USA kosten.
Ein weiteres Schreckgespenst der Pädiatrie ist bekanntlich die Mittelohrentzündung. Auch hier tut sich was an der Impfstofffront. In der Zeitschrift The Lancet wird jetzt von einem neuen, polyvalenten Impfstoff berichtet, der sich sowohl gegen Pneumokokken als auch gegen Haemophilus influenzae richtet. Die beiden Keime gelten als die wichtigsten Verursacher der Mittelohrentzündung bei Kindern. In der in Tschechien durchgeführten, randomisierten, kontrollierten Studie wurde die Zahl der akuten Otitis media-Erkrankungen durch diese Doppelstrategie um ein Drittel abgesenkt. Natürlich sind längst Pneumokokken-Impfungen auf dem Markt. In der sehr jungen Zielgruppe gelten diese aber bisher als nicht ausreichend immunogen. Der neue Impfstoff wurde vom Hersteller GSK deswegen gezielt für diese Zielgruppe entwickelt. Er enthält Antigene von elf unterschiedlichen Pneumokokkenstämmen, außerdem das D-Antigen von Haemophilus influenzae. Der Nachteil soll auch hier nicht verschwiegen werden: Satte vier intramuskuläre Injektionen dürften in den Industrienationen viele Eltern verschrecken. In den Entwicklungsländern dürften effektive Impfprogramme dadurch zumindest erschwert werden.