Praxisgemeinschaft, Gemeinschaftspraxis oder Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), eines haben alle gemeinsam: Es menschelt. Im Dezember 2016 kam es durch Streitigkeiten sogar zu einem tödlichen Ende – zwei Ärzte fand man erschossen in ihrer Gemeinschaftspraxis auf.
Die gemeinsame Arbeit in einer Praxis kann negative Folgen haben. Zum Glück endet es extrem selten so dramatisch wie im Dezember 2016 in Marburg. Ein 53-jähriger Facharzt für Radiologie erschoss zunächst seinen 67-jährigen Partner und danach sich selbst. Als Hintergrund der Tat bestätigten sich Differenzen um die Zukunft der gemeinsamen Praxis. Der ältere Kollege plante eine Einzelpraxis im Nachbarort.
Die kooperative Arbeit kann gedeihlich und zur Zufriedenheit aller laufen, oft hört man aber von Konflikten zwischen den Partnern. Dann leidet die Atmosphäre in der Praxis, nicht selten folgt eine zeit- und kostenintensive Auseinandersetzung mit dem Ziel der Trennung.
Eine Kardiologin, die fast zehn Jahre in einer Gemeinschaftspraxis tätig war, schildert es so: „Zwischen mir und meinem Partner hat es auf der persönlichen Ebene von Anfang an nicht richtig funktioniert. Letztlich bin ich wegen der Patienten und dem Personal so lange geblieben.“ Die Ärztin hatte Glück im Unglück, die Trennung verlief friedlich. Sie ergänzt „Ich bin froh, da raus zu sein, vertraglich war Diverses nicht optimal geregelt.“ Auf Nachfrage antwortet sie: „Ja – ich würde es nochmal versuchen. Dann aber soll der Vertrag mit Unterstützung von einem erfahrenen Anwalt geschlossen werden. Außerdem würde ich erst probieren wollen, ob es klappt – z.B. indem ich erst einmal angestellt in der Praxis starten würde mit der Chance, problemlos wieder auszusteigen.“ Eine solche Kennenlernphase wird auch gerichtlich gesehen. Eine Zeit von drei Jahren wird derzeit für Gesellschafter einer Praxis anerkannt. Innerhalb dieser Zeit sind Kündigungen nicht nur von angestellten Ärzten, sondern sogar von Gesellschaftern gebilligt worden.
Ärzte haben heute viele Möglichkeiten für die Ausgestaltung einer niedergelassenen Tätigkeit. Für den Einzelnen bedeutet dies die Qual der Wahl. Um den richtigen Weg zu finden, gilt es die Unterschiede und Möglichkeiten zu kennen. Angestellte Tätigkeit im ambulanten Sektor
Die Zahl angestellter Ärzte im niedergelassenen Bereich steigt stetig, 2015 war in diesem Sektor jeder fünfte angestellt, die absolute Zahl am 31.12.2015 lag bei über 29.000. Im Jahr des Startes der MVZ (2004), wurden gerade mal 8 % angestellte Ärzte registriert. Seit 2007 steigt deren Anteil jährlich um etwa 20 % (alle Angaben siehe Bundesärztekammer, Ärztestatistik).
Anstellungen sind heute in allen Niederlassungsformen möglich. Der einstellende Arzt benötigt nicht mal eine freie Zulassungsstelle. Möglich ist, sich im Rahmen des Jobsharings eine Zulassung zu teilen. So kann auch der Arzt in der Einzelpraxis einen Arzt einstellen, z.B. um auf diese Weise in den Ruhestand zu gleiten.
Tipp für künftige Ruheständler: Die Einleitung des Ruhestandes über die Anstellung eines Kollegen sollte frühzeitig beginnen. Angestellte Bewerber, die die Praxis mit dem Verkäufer zuletzt gemeinsam betrieben, sollen bei der Nachbesetzung vom Zulassungsausschuss bevorzugt berücksichtigt werden. Seit Sommer 2015 gilt, dass das Anstellungsverhältnis mindestens drei Jahre angedauert haben muss.
Wer arbeitet wo als angestellter Arzt
In 2013 verteilten sich die angestellten Ärzte nach Angaben des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung e.V. (BMVZ, Praktikerkongress 2014) wie folgt: Knapp die Hälfte aller angestellten Ärzte (11.000) waren in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) tätig, 5.018 in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG = Gemeinschaftspraxis) und 6.251 in Einzelpraxen (incl. Praxisgemeinschaften).
Argumente für die Tätigkeit als angestellter Arzt: Ärzte können so den Nacht- und Wochenendschichten und der hierarchischen Struktur des Klinikalltags entfliehen, ohne das finanzielle Risiko der Praxisneugründung oder -übernahme zu tragen. Auch Teilzeitregelungen zur besseren Harmonisierung von Familie oder Freizeit und Beruf sind beliebt. Manch einer nutzt die Anstellung, um zu prüfen, ob die selbständige Tätigkeit mit den Facetten des Arbeitgebers und Unternehmers wirklich das richtige ist.
Seit 2007 ist es auch möglich, nebeneinander im stationären und im ambulanten Sektor zu arbeiten. Und das sowohl als angestellter Arzt in beiden Sektoren oder aber als Vertragsarzt mit hälftiger Zulassung.
Noch 2013 stimmte die Aussage, dass Frauen mit etwa 63 % den Hauptanteil der Angestellten stellen (BMVZ, Praktikerkongress 2014, S. 6). Doch die Männer holen auf. In 2005 lag der Frauenanteil bei 70 %, von 2011 bis 2013 lag er stabil bei etwas über 60 % und 2015 nur noch bei 43 % (Bundesarztregister KBV, Statistik 2015, S. 32).
Fachausschuss für angestellte Ärzte und Ärztinnen bei KVen
Vertragsärzte bilden die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), um so die ihnen übertragenen Versorgungsaufgaben zu erfüllen. Deshalb vertritt eine KV primär die Interessen der Vertragsärzte. Angestellte Ärzte sind keine Vertragsärzte, aber auch sie sind Mitglieder der KV. Wegen der zunehmenden Bedeutung angestellter Ärzte in der ambulanten Versorgung, reagierte der Gesetzgeber. Seit 2015 sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KVen verpflichtet, einen Fachausschuss für angestellte Ärzte und Ärztinnen zu errichten, damit auch deren Interessen in der KV vertreten werden. Die KBV und viele der KVen sind dieser Pflicht inzwischen nachgekommen.
Selbständige Tätigkeit in der ambulanten Versorgung
Ein Internist berichtete: „Lange trug ich die Frage mit mir rum, ob die Niederlassung für mich das richtige ist und wenn ja, wie. Ich wollte mich gerade auf eine freie Zulassungsstelle für eine klassische Einzelpraxis bewerben, als ich das Angebot bekam, in eine etablierte Gemeinschaftspraxis einzusteigen. Der ältere Kollege will sich in etwa drei Jahren zur Ruhe setzen, mit ihm teile ich mir seit drei Monaten eine Zulassung. Zwei Tage die Woche arbeite ich weiter in meiner alten Klinikstelle. Ich kann jetzt sehen, ob es zwischen mir und dem Praxisteam harmoniert und von den Kollegen den ganzen bürokratischen Kram lernen. Es lässt sich gut an. Nicht nur fachlich, auch zwischenmenschlich klappt es gut. Gerade was die persönliche Beziehung anlangt, habe ich von diversen schlechten Beispielen gehört. Geschockt hatte mich natürlich die Geschichte in Marburg.“
Dieser Kollege kann die Praxis mit seinen Menschen kennen lernen, bevor er sich fest bindet und er hat sich für eine der möglichen Niederlassungsformen entschieden.
Niederlassungsformen – Was gibt es, worin unterscheiden sie sich
Zur Wahl stehen die klassische Einzelpraxis oder Praxisgemeinschaft, eine BAG (= Gemeinschaftspraxis) oder MVZ. Hier eine knappe Darstellung, was die einzelnen Varianten unterscheidet.
Einzelpraxis – Totgesagte leben länger
Die Einzelpraxis ist kein Auslaufmodell, aber sie ist deutlich rückläufig. Nach den Zahlen der Gesundheitsberichterstattung (GBE) von 2015 gab es 62.524 haus- und fachärztliche Einzelpraxen (incl. Praxisgemeinschaft), dies entspricht 62 % aller haus- und fachärztlichen Praxen (ohne Psychotherapie). Im Geburtsjahr der MVZ 2004 lag der Anteil noch bei 82 %.
Wie hoch hieran der Anteil der isolierten Einzelpraxen ist, geben die Statistiken nicht her. Es ist aber zu vermuten, dass der Anteil sinkt und damit auch die Chancen des gelungenen Praxisverkaufs. Die Ehefrau eines plötzlich verstorbenen Kardiologen in einem Bonner Stadtbereich berichtet: Sie versucht seit Mitte letzten Jahres erfolglos die Praxis zu verkaufen. „Es findet sich kein Kardiologe, der bereit ist, die Praxis meines verstorbenen Mannes zu übernehmen. Einer der Hauptkritikpunkte lautet: Die Räumlichkeiten geben es nicht her, dass hier zwei oder drei Ärzte zusammen arbeiten können.“
Einzelpraxis als isolierte Praxis in althergebrachter Form oder als Praxisgemeinschaft: In beiden Fällen hat jeder Vertragsarzt seinen eigenen Patientenstamm und rechnet separat gegenüber der KV ab. Vertragsärzte, die sich zu einer Praxisgemeinschaft zusammenschließen, nutzen jedoch Praxisräume und -einrichtung gemeinsam und greifen auf dasselbe Praxispersonal zurück. Dies macht die Praxis von der Kostengestaltung her attraktiver.
Achtung: In einer Praxisgemeinschaft haften die Partner nur soweit füreinander, wie sie nach außen gemeinsam auftreten, also z.B. hinsichtlich Personal und Vermieter. Eine gegenseitige Haftung für Regresse aufgrund fehlerhafter Behandlung oder Abrechnung besteht in Praxisgemeinschaften nicht, es sei denn, die Praxis wird als verdeckte BAG gewertet. Dies wird von den Sozialgerichten seit 2006 unter Verweis auf die Richtlinie für Plausibilitätsprüfungen (KBV; Richtlinien nach § 106a SGB V) angenommen, wenn 20 % der Patienten bei Ärzten gleicher Fachrichtung, bzw. 30 % der Patienten bei Ärzten unterschiedlicher Fachrichtung gemeinsam betreut werden.
Praxistipp: Achten Sie in Ihrer Praxisgemeinschaft streng auf die Trennung der Patientenkartei – auch und gerade in der EDV – und auf die Wahrung der Schweigepflicht gegenüber dem Partner (Verträge des Personals). Allen, auch den Patienten, muss immer klar sein: Hier arbeiten zwei getrennte Praxen unter einem Dach.
Berufsausübungsgemeinschaft = Gemeinschaftspraxis
Diese Niederlassungsform kann von Ärzten gleicher oder unterschiedlicher Fachrichtung per Gesellschaftervertrag gegründet werden. Die BAG kann an einem oder verschiedenen Orten tätig werden (örtliche/überörtliche BAG). Sie kann das gesamte Leistungsspektrum der beteiligten Ärzte umfassen, oder auf bestimmte Leistungen begrenzt werden (Teil-BAG: Vorsicht bei der Vertragsgestaltung einer Teil-BAG unter Einbindung eines methodenorientierten Faches, wie z.B. Labor oder Radiologie, Stichwort Zuweisungsverbot). Die Gründung einer BAG bedarf der Genehmigung der zuständigen KV.
Im Gegensatz zur Praxisgemeinschaft führt eine BAG eine gemeinsame Patientenkartei und rechnet gemeinsam gegenüber der KV ab. Es handelt sich um eine Praxis unter einem Dach.
MVZ
Eine weitere Form der Kooperative stellt das MVZ als ermächtigte Einrichtung dar. Seit dem Versorgungsstärkungsgesetz ist nicht mehr erforderlich, dass in einem MVZ Ärzte verschiedener Fachrichtungen arbeiten. Nun sind z.B. auch reine Hausarzt-MVZ möglich. Experten erwarten in Folge dieser Gesetzesänderung einen Trend hin zur Überführung bisheriger BAG in MVZ. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies erfüllen wird.
Im Unterschied zur BAG erhalten hier nicht die Ärzte sondern die Einrichtung, also das MVZ, die Zulassung. Damit dies rechtlich möglich ist, muss das MVZ eine bestimmte Rechtsform erhalten. Für Ärzte ist eine MVZ- Gründung mögliche in der Rechtsformen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Partnerschaftsgesellschaft (PartG und PartG mbB); eingetragene Genossenschaft (eG) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Am häufigsten gewählt wird die GmbH (KBV, Entwicklung der Medizinische Versorgungszentren 2004 – 2015).
Weiteres Argument pro MVZ
Zum Abschluss der Hinweis auf ein wichtiges Urteil für alle, die überlegen, ein MVZ oder eine BAG zu gründen. Bei Gründung eines MVZ besteht die Chance, als langjährig tätiger niedergelassener Arzt abrechnungstechnisch wieder als „Wenigabrechner“ zu gelten, mit der Aussicht auf Steigerung des Regelleistungsvolumens:
Im Oktober letzten Jahres entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG Ba-Wü, Urteil vom 5.10.2016, Az.: L 5 KA 773/13), dass auch ein MVZ in der Anfangsphase seiner vertragsärztlichen Tätigkeit die Chance erhalten muss, in effektiver und realistischer Weise zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe aufschließen zu können. Auch sie als gelten als unterdurchschnittlich abrechnende Praxis (Aufbau- und Jungpraxis) und somit als „Wenigabrechner“. Bezüglich dieser Eingruppierung wird nicht auf den Zeitpunkt der Erstzulassung der eintretenden Ärzte abgestellt, sondern auf den Gründungszeitpunkt des MVZ (LSG Ba-Wü, aaO, Leitsatz und Rn 30 nach juris).
Klägerin war die GmbH als Trägerin eines MVZ. Zu deren Gründung hatten zwei Ärzte, die seit 1990 bzw. 1993 als niedergelassene Fachärzte (Allgemeinmedizin und Innere, Schwerpunkt Gastroenterologie) zugelassen waren. Die Klägerin widersprach dem ihr zugewiesenen Regelleistungsvolumen, dass vom Bewertungsausschuss u.a. auf der Grundlage der Fallzahlen des Vorjahresquartals ermittelt wurde.