Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind alkoholsüchtig. Jetzt fanden Max-Planck-Mediziner eine wirksame Therapie mit Medikamenten, die eine Alkoholunverträglichkeit bewirken und zu nachhaltigen Abstinenzraten von bis zu 75 Prozent führen.
Neun Jahre lang untersuchten die Forscher am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen die Wirkung der Alkoholaversiva Disulfiram und Calciumcarbamid beim Alkoholentzug und kamen zum Schluss, dass diese zu einem wichtigen Tool der Suchtmedizin avancieren und Patienten helfen könnten, eine bestehende Alkoholkrankheit endgültig zu besiegen. Patientendaten, die von 1993 bis 2002 gesammelt wurden, belegen die Annahme. An 180 chronisch alkoholkranken Patienten hatten Mediziner die so genannte Ambulante Langzeit-Intensivtherapie für Alkoholkranke (ALITA) durchgeführt. Dabei setzten die Ärzte auch auf die überwachte Einnahme von Disulfiram oder Calciumcarbimid. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen interessierten sich die Autoren der Studie dieses Mal jedoch für die langfristigen Ergebnisse - und analysierten einen Zeitraum von sieben Jahren nach der eigentlichen, zweijährigen ALITA-Therapie.
Nachhaltiger Effekt, beeindruckende Zahlen
Die Auswertung brachte Ermutigendes zu Tage. Denn die eingesetzten Aversionsmittel führten bei den Probanden zu Abstinenzraten von über 50 Prozent. Bei Patienten, die Alkoholaversiva länger als 20 Monate einnahmen, stiegen diese Werte sogar auf 75 Prozent an. Selbst jene Gruppe, die im Rahmen der Studie die Aversiva-Einnahme zwischen dem 13. und 20. Monat beendete, wies eine im Vergleich zu anderen Verfahren hohe Abstinenzrate von 50 Prozent auf.
Derartige Ergebnisse sind bei anderen Therapieformen keinesfalls üblich und verdienen aus Sicht der Forscher deshalb ganz besondere Aufmerksamkeit. "Obwohl üblicherweise bis zu 30 Prozent alkoholkranker Patienten angeben, zwei bis drei Jahre nach einer Alkoholismustherapie abstinent zu sein, zeigen objektive Laboranalysen, dass nur sechs bis 20 Prozent der Patienten zwei Jahre nach Therapieende wirklich abstinent sind," kommentierte Hannelore Ehrenreich, Leiterin der Arbeitsgruppe Klinische Neurowissenschaften am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen die Ergebnisse, und fügte hinzu: "Unsere Untersuchung ist die erste Studie über die langfristige überwachte Verabreichung von Alkoholaversiva und beschäftigt sich vor allem mit ihrer psychologischen, weniger mit der pharmakologischen Wirkung."
Tatsächlich weisen drei wesentliche Ergebnisse der Studie auf eine interessante psychologische Wirkung der Therapie hin:
Dass diese psychologische Rolle, die Alkoholaversiva bei der Rückfallprävention spielen, einer der interessantesten Aspekte der Studie ist, bestätigt auch Colin Brewer, Forschungsdirektor am Stapleford Centre in London. Für alkoholkranke Patienten hierzulande eine mehr als gute Nachricht. Denn der Einsatz der Wirkstoffe ist in Deutschland keinesfalls ungewohnt - lediglich der extrem positive psychologische Effekt war bisher so gut wie unbekannt. Für Brewer liegt das eigentliche Plus der Therapie vor allem im Zeitgewinn für die Patienten: "Je länger ein alkoholkranker Mensch abstinent ist, desto länger wird er abstinent bleiben."