Die Nachrichten von der Brustkrebsfront reißen nicht ab. Kaum ist der Antikörper Trastuzumab auch bei frühem Brustkrebs zugelassen, bringt sich schon ein neues Medikament in Position. Auf dem größten amerikanischen Krebskongress avancierte ein "small molecule" zum neuen Star am Pillenhimmel.
Viel Geld, sehr viel Geld wird investiert, um neue Therapieansätzegegen Brustkrebs zu finden. Der häufigste bösartige Tumor der Fraulässt Moleküldatenbanken schwitzen und Forscherhirne rauchen. Auf demJahreskongress der American Society of Clinical Oncology wurde jetzt ein Resultat dieser Bemühungen vorgestellt, der orale Tyrosinkinaseinhibitor Lapatinib.
Rezidive beim Brustkrebs bleiben ein großes Problem
Eine der entscheidenden Fragen bei der Brustkrebstherapie ist die nachdem so genannten HER2/neu-Status. Dieser Rezeptor ist bei etwa einemDrittel der Tumoren überexprimiert und liefert einen interessantenAngriffspunkt für eine gezielte Therapie. Bekannt wurde der Rezeptorvor allem durch den Antikörper Trastuzumab, der außen an HER2/neu bindet und dadurch dieÜberlebenschancen von Frauen mit metastasiertem, HER2/neu-positivemBrustkrebs stark erhöht. Auch beim frühen Brustkrebs wird die Substanzeingesetzt, und ist dafür mittlerweile auch zugelassen. "DieRezidivrate wird dadurch um etwa 50 Prozent gesenkt", sagte ProfessorNadia Harbeck aus München kürzlich auf einer Veranstaltung desUnternehmens Roche in Berlin. Doch Trastuzumab löst nicht alleProbleme. Die HER2-positiven Tumoren gelten als aggressiver als Tumorenohne diesen Rezeptor. "Bei fünf bis 15 Prozent dieser Patienten kommtes innerhalb von drei Jahren zu einem Rezidiv", sagt Professor Michael Untch von der Helios-FrauenklinikBerlin-Buch. Selbst wenn diese Quote durch Trastuzumab halbiert wird,bleibt immer noch eine deutliche Gefährdung der betroffenen Frauenbestehen.
Lapatinib verdoppelte Zeit bis zur Tumorprogression
Eine mögliche Lösung könnte das in Atlanta heiß diskutierte MolekülLapatinib sein, das von GlaxoSmithKline entwickelt wurde. AuchLapatinib, dessen Zulassung ursprünglich schon für 2005 anvisiert war, greift am HER2/neu-Rezeptor an, und zwar an dessen intrazellulären Abschnitten. Eine große Phase III-Studie, die in Atlanta von Dr. Charles Geyer vom Allegheny General Hospitalin Pittsburgh vorgestellt wurde, hat bei Frauen mit metastasiertemBrustkrebs einen überraschend deutlichen Effekt von Lapatinib gezeigt.Zuvor waren bei den 528 Patientinnen alle therapeutischen Registererfolglos gezogen worden. Sie hatten Anthracycline, Taxane undTrastuzumab erhalten, alles ohne dauerhaften Erfolg. Durch Lapatinibwurde nun in Kombination mit dem oral einnehmbaren ChemotherapeutikumCapecitabine eine kaum für möglich gehaltene, mittlere Zeit bis zurTumorprogression (TTP) von knapp 37 Wochen erreicht. Im Kontrollarm derStudie, in dem die Patientinnen nur Capecitabine bekommen hatten, lagdie mittlere TTP bei knapp 18 Wochen. Sie war also halb so lang. Vorallem die Zahl der Hirnmetastasen lag im Verumarm mit vier deutlichniedriger als im Kontrollarm, wo elf Frauen betroffen waren. Dies deutedarauf hin, dass Lapatinib, das anders als Trastuzumab dieBlut-Hirn-Schranke passieren kann, auch gegen Hirnmetastasen wirke , soUntchs Interpretation dieses Befunds.
Früher Sprung in die Adjuvanz
Ein neuer Stern am Himmel der Krebstherapie also? Noch nicht ganz, dennweitere Studien müssen das Spektrum erst noch genau ausleuchten. Diepräsentierte Untersuchung hatte einige Schönheitsfehler. So war siezwar randomisiert, aber "offen", das heißt die Behandler wussten, womitsie wen therapierten. Die Auswertung der Progression allerdingserfolgte dann wie sich das gehört "blind". Auch wurde die Studievorzeitig abgebrochen. Eine der Folgen dieses Abbruch: Es gibt keinenUnterschied bei der Gesamtsterblichkeit. In beiden Gruppen waren zumZeitpunkt der Auswertung 29 Patientinnen verstorben. Das umfangreicheStudienprogramm, das mit Lapatinib mittlerweile aufgelegt wurde,umfasst außer Studien zur First Line-Therapie bei metastasiertemBrustkrebs auch schon mehrere Studien zur adjuvanten Therapie, dasheißt zur prophylaktischen Behandlung von operierten Frauen mit frühemBrustkrebs. Ein so schneller Übergang in die adjuvante Therapie istungewöhnlich in der Onkologie. Als besonders vielversprechend wird dieKombination aus Lapatinib und Trastuzumab angesehen, die in deradjuvanten Aphrodite-Studie untersucht werden soll. Insgesamt 8000Patientinnen erhalten entweder Lapatinib oder Trastuzumab oder beidesparallel oder beides hinter einander weg, jeweils für sechs Monate. DieKombination mit Trastuzumab (und Paclitaxel) wird auch in einerglobalen Phase III-Studie in der First Line-Therapie bei Frauen mitmetastasiertem Mammakarzinom untersucht.